Dr. Alfred Simlacher, Dr. Stephan Vossel
Rn. 101
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Steuerliche Verlustvorträge (z. B. für die KSt gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 2 EStG oder für die GewSt gemäß § 10a GewStG) sind gemäß § 274 Abs. 1 Satz 4 bei der Berechnung aktiver latenter Steuern zu berücksichtigen. Dies erfüllt das Informationsinteresse der Abschussadressaten, indem zum einen das den Verlustvorträgen innewohnende zukünftige Steuerminderungspotenzial über die aktiven latenten Steuern Eingang in die Bilanz findet. Zum anderen wird eine interperiodisch genauere Ergebnisabgrenzung erreicht, da dem GJ der Verlustentstehung der hiermit verbundene künftige Steuervorteil zugeordnet wird. Das dadurch ausgewiesene Ertragsteuerergebnis korrespondiert (besser) mit dem handelsrechtlichen Vorsteuerergebnis, so dass es insoweit zu keiner Verwerfung bei der Steuerquote kommt. Gleichwohl ist die Realisierung der Steuerminderungspotenziale aus Verlustvorträgen von zukünftigen steuerlichen Ergebnissen abhängig. Nur wenn diese positiv sind, können Verlustvorträge ihre steuermindernde Wirkung entfalten. Dies macht umfangreiche Prognosen notwendig, welche mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet sind.
Rn. 102
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Ansatz von aktiven latenten Steuern auf steuerliche Verlustvorträge hat aus Gründen einer besseren Nachprüfbarkeit und Praktikabilität nur dann zu erfolgen, soweit deren Verrechnung mit positivem steuerlichen Einkommen innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwarten ist (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67). Die Begrenzung auf einen Fünf-Jahres-Zeitraum ist Ausdruck des Vorsichtsprinzips und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Prognosesicherheit mit zunehmendem Planungshorizont abnimmt (vgl. Kühne/Melcher/Wesemann, WPg 2009, S. 1057f.). Bei der Schätzung der künftigen verrechenbaren Beträge ist zunächst der wirtschaftlichen Situation des UN Rechnung zu tragen. Sollte das UN bereits in der Vergangenheit dauerhaft Verluste erwirtschaftet haben, so sind an den Nachweis einer Nutzung der Verlustvorträge hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67). Derartige Nachweise sind durch konkret geplante und realistische Ergebnisbeiträge substantiiert darzulegen. Bspw. ist bei einer Immobilien-Entwicklungsgesellschaft mit längerer verlustträchtiger Bauphase der geplante gewinnbringende Verkauf der Immobilie mit entsprechendem Beleg der Fertigstellung der Immobilie zu einem Zeitpunkt sowie dem (erwarteten) Verkaufserlös nachzuweisen. Neben beabsichtigten und belegten Sachverhaltsgestaltungen sind auch vom UN geplante Steuergestaltungen bei der Steuerplanung zu berücksichtigen (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 274 HGB, Rn. 47). Allerdings ist der feste Wille zur Umsetzung zu belegen. Um dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip Rechnung zu tragen, sollten dem UN des Weiteren die notwendigen Ressourcen zur Umsetzung der Steuergestaltung zur Verfügung stehen und – sofern erforderlich – die Zustimmung der zuständigen Organe vorliegen. Wird bis zur Aufstellung des JA mit der Umsetzung einer konkreten Gestaltungsmaßnahme begonnen, ist dies als Nachweis ausreichend, da sich der unternehmerische Umsetzungswille sowie die wirtschaftliche Fähigkeit und rechtliche Möglichkeit des UN auf diese Weise manifestieren. Eine solche Auffassung steht auch im Einklang mit DRS 18.17, wonach beabsichtigte und realisierbare Steuerstrategien in die steuerliche Planungsrechnung einzubeziehen sind.
Rn. 103
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Weiterhin sind die steuerlichen Rahmenbedingungen der Verlustvortragsnutzung zu beachten. Dies macht es bspw. notwendig, für jede Steuerart eine eigenständige Prognose aufzustellen, sofern die Bemessungsgrundlagen unterschiedlichen Ermittlungsvorschriften unterliegen (wie etwa bei der KSt und GewSt; vgl. Beck-HdR, B 235 (2016), Rn. 64). Zudem sind Beschränkungen der Verlustverrechnung zu berücksichtigen (vgl. Herzig/Bohn/Götsch, DStR 2009, S. 2615 (2618); Endert/Sepetauz, PiR 2013, S. 1 (5); Beck Bil-Komm. (2024), § 274 HGB, Rn. 46), wie
Rn. 104
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Grundlage für die Ermittlung des ansatzfähigen Aktivierungsvolumens bildet die UN-Planung und die darauf aufbauende Steuerplanung, an deren Verlässlichkeit hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 274 HGB, Rn. 46; zur konkreten Ausgestaltung Herzig/Fuhrmann (2012), Kap. II/C, Rn. 97ff.). Der in § 274 Abs. 1 Satz 4 verankerte Fünf-Jahres-Zeithorizont bezieht sich nur auf steuerliche Verlustvorträge und vergleichbare Sachverhalte, nicht jedoch ...