Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
1. Bedeutung des Anschaffungsvorgangs
Rn. 11
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
In den Bewertungsvorschriften des HGB (vgl. §§ 252 bis 256a) wird zwischen AK, HK und beizulegendem Zeitwert unterschieden (vgl. z. B. eindeutig § 253 Abs. 1). Nach dieser Vorschrift sind VG mit den AHK zu aktivieren. Die Abgrenzung des Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgangs erlangt v.a. wegen der unterschiedlichen Abgrenzung der AK bzw. HK besondere Bedeutung. Die Unterschiede konkretisieren sich insbesondere bei folgenden Tatbeständen:
(1) GK dürfen nur i. R.d. HK aktiviert werden;
(2) die Behandlung von Fremdfinanzierungsaufwendungen ist unterschiedlich geregelt, je nachdem, ob AK oder HK zu bestimmen sind.
2. Gesetzliche Umschreibung des Anschaffungsvorgangs
Rn. 12
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Gemäß § 255 Abs. 1 zählen zu den AK die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen VG zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Aus dieser Gesetzesformulierung lässt sich entnehmen, dass all jene Aufwendungen den AK zuzurechnen sind, die im finalen Sinn erforderlich sind, um einen VG zu erwerben. Der Erwerb eines VG wird allg. als die Überführung eines VG von einer fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht und die Zuführung zu seiner bestimmungsgemäßen Nutzung angesehen (vgl. BFH, Urteil vom 12.09.2001, IX R 52/00, BStBl. II 2003, S. 574; überdies Beck Bil-Komm. (2022), § 255 HGB, Rn. 10ff.). Somit zählen in jedem Fall jene Aufwendungen dazu, die erforderlich sind, um den VG in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Dieser Tatbestand geht über die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht hinaus und stellt auf die individuellen Verhältnisse des bilanzierenden UN ab. Willkürspielräume im Hinblick auf die Definition des betriebsbereiten Zustands dürften letztlich dadurch vermieden werden, dass gesetzesterminologisch nicht auf den betriebsbereiten Zustand abgestellt wird, sondern vielmehr auf einen betriebsbereiten Zustand.
In der Literatur findet sich auch die Ansicht, dass der Begriff der Betriebsbereitschaft nur im Zusammenhang mit Gegenständen des Sach-AV Bedeutung besitzt, während Gegenstände des UV nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzt werden (vgl. ADS (2023), § 255, Rn. 51ff., m. w. N.). Dies lässt sich jedoch dem eindeutigen Wortlaut des § 255 Abs. 1 nicht entnehmen; vielmehr ist das Kriterium der Betriebsbereitschaft generell bei allen erworbenen VG bedeutsam. Aus diesem Grund dürften etwa die Aufwendungen, die im Zusammenhang mit gezielten Einlagerungen von Handelswaren (z. B. Einordnung in Verkaufsregale) entstehen, als Aufwendungen zur Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand für ein Handels-UN angesehen werden. Die Einbeziehung dieser Aufwendungen scheitert jedoch vielfach an der in § 255 Abs. 1 genannten Anforderung, nach der nur solche Aufwendungen zur Schaffung einer Betriebsbereitschaft Bestandteil der AK sind, die dem VG einzeln zugeordnet werden können.
3. Abgrenzung zum Herstellungsvorgang
Rn. 13
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Berücksichtigt man, dass vielfach die Schaffung eines betriebsbereiten Zustands durch das erwerbende UN selbst durchgeführt wird, z. B. Fundamentierungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Maschine, Einlagerung erworbener Materialien in das eigene Vorratslager, so wird deutlich, dass die Abgrenzung des Anschaffungs- vom Herstellungsvorgang im Einzelfall wohl zu nicht unwesentlichen Problemen führen kann. Aus diesem Grund erscheint es notwendig, zunächst die Abgrenzung des Anschaffungs- vom Herstellungsvorgang zu erörtern (vgl. auch HdR-E, HGB § 255, Rn. 133).
Allg. lässt sich festhalten, dass eine Anschaffung auf den Erwerb bestehender VG abzielt, während die Herstellung auf die Schaffung bisher in dieser Form nicht vorhandener VG gerichtet ist (vgl. ADS (2023), § 255, Rn. 272; L/B/P (2021), § 6 EStG, Rn. 153). Für den Bereich der AK wird dabei auf das subjektive Element des angestrebten Erfolgs bzw. Zustands abgestellt, deren Existenz regelmäßig aus objektiv erkennbaren Umständen abgeleitet werden muss (vgl. BFH, Urteil vom 07.06.1984, IV R 79/82, BStBl. II 1984, S. 584ff.). Analog müsste dies für den Bereich der HK gelten. Mithin sind zunächst allg.-gültige objektive Kriterien zugrunde zu legen, die möglicherweise unter Berücksichtigung der individuellen Situation des bilanzierenden UN im Hinblick auf die Einordnung eines Tatbestands als Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgang hilfreich sind. Zu diesem Zweck bietet es sich zunächst an, auf den einzelnen VG abzustellen.
Handelt es sich um einen VG, der nur erworben werden kann, so kommt nur eine Bewertung mit AK in Betracht. Dies dürfte bspw. bei Grund und Boden, Finanzanlagen, Forderungen und sonstigen VG der Fall sein.
Sind VG gegeben, die nur hergestellt werden können, kommt lediglich eine Bewertung mit HK in Betracht. Derartige VG dürften relativ selten gegeben sein; allenfalls im Bereich der Urproduktion wäre eine solche Situation denkbar.
Rn. 14
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Weiterhin wäre es denkbar, dass VG weder angeschafft noch hergestellt werden (können), so z. B. bei der Schaffung eines VG kraft Hoheitsakts oder ...