Dr. Matthias Heiden, Dr. Christian F. Bosse
Rn. 151
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Der Anwendungsbereich der Regelung des § 91 Abs. 3 AktG beschränkt sich auf eine börsennotierte Gesellschaft (vgl. § 3 Abs. 2). Dies ist im Hinblick auf die Absicht des Gesetzgebers, eine ausdrückliche Verpflichtung flankierend zu bereits für kap.-marktorientierte bestehenden Berichts- und Prüfungspflichten zur Einrichtung der Systeme zu schaffen, konsequent. UN mit Börsennotierung haben außerdem in aller Regel einen Geschäftsumfang und eine Risikolage, die eine systematische Überwachung von Risiken erfordert. In der Sache selbst darf aber nicht übersehen werden, dass für die Frage, ob ein UN wesentliche Risiken systematisch erfassen muss, nicht alleine die Frage der Börsennotierung maßgeblich sein kann; vielmehr ist in erster Linie der Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des UN entscheidend. Wie bereits einleitend festgestellt, waren Leitungsorgane von UN jeder Rechtsform schon nach bisheriger Rechtslage verpflichtet, bei bestimmtem Geschäftsumfang und entsprechender Risikolage für entsprechende Systeme Sorge zu tragen (vgl. BT-Drs. 19/26966, S. 115). An dieser Sachlage hat sich durch die Einfügung des Abs. 3 nichts geändert. Dies hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht (vgl. BT-Drs. 19/26966, S. 115). Diese Erwägungen ändern aber nichts daran, dass Normadressat von § 91 Abs. 3 AktG nur börsennotierte AG sind. In einem Konzern gilt § 91 Abs. 3 AktG nur für die UN, die selbst börsennotiert sind, also nicht für nicht börsennotierte Konzern-UN eines börsennotierten MU. Ob und inwieweit sich Systeme des MU auch auf die Überwachung von weiteren UN des Konzerns erstrecken muss, ist eine Frage der Reichweite (vgl. zur Reichweite von § 91 Abs. 2 HdR-E, AktG § 91, Rn. 123ff., sowie Hölters-AktG (2022), § 91, Rn. 8).
Zum Anwendungsbereich bei einer KGaA ebenso wie dualistisch oder monistisch (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 3 SEAG) strukturierten SE kann (ebenfalls) auf HdR-E, AktG § 91, Rn. 73f., verwiesen werden. Die Ausstrahlungswirkung auf UN in anderer Rechtsform als die AG kann auch bei Abs. 3 unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme des Kap.-Markts durch Finanzprodukte diskutiert werden. Auch in diesem Fall bestehen Anlegerinteressen, die ein vergleichbares Schutzniveau erfordern (vgl. hierzu HdR-E, AktG § 91, Rn. 75ff., 85).
Rn. 152
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Zuständig für die Einrichtung der Systeme ist der Vorstand. Es besteht eine Gesamtverantwortung des Vorstands als Organ, arbeitsteiliges Zusammenwirken ist aber nach allg. Grundsätzen zulässig (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 91, Rn. 109). Eine Ausstrahlungswirkung auf die GmbH oder andere Gesellschaftsformen, die bei § 91 Abs. 2 AktG durchaus diskutiert werden kann, ist bei § 91 Abs. 3 AktG reduziert. Das Kriterium der Börsennotierung grenzt den Anwendungsbereich klar ab und schränkt die Annahme einer Ausstrahlungswirkung ein. Dessen ungeachtet bleiben die vorstehend erwähnten allg. Erwägungen im Hinblick auf die Leitungspflichten anderer UN außerhalb des Anwendungsbereichs von § 91 Abs. 3 AktG unberührt, wesentliche Risiken systematisch zu erfassen und in einem System auszuwerten.
Spiegelbildlich ist Aufgabe des AR, den Vorstand bei der Erfüllung der von § 91 Abs. 3 AktG eingeführten Pflichten zu kontrollieren. Die Regelung des § 107 Abs. 3 Satz 2 unterstreicht dies. So ist der Prüfungsausschuss dazu berufen, die Wirksamkeit dieser Systeme zu überwachen, ob der Vorstand alle notwendigen Systeme installiert hat, sie angemessen sind und tatsächlich auch funktionieren wie geplant. Die Wirksamkeitsprüfung durch den Prüfungsausschuss gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 ist umfassend angelegt und keinesfalls auf die RL-bezogenen Teile begrenzt (vgl. Richardt (2021), Rn. 52).