Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 68
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die rechtliche Beachtlichkeit einer Ausgleichsleistung setzt grds. deren Bilanzierungsfähigkeit i. S. v. Quantifizierbarkeit, bilanzieller Greifbarkeit und Fehlen eines handelsrechtlichen Aktivierungsverbots voraus (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2012, II ZR 30/11, NZG 2012, S. 1030ff. (Rn. 23)). VG, die nicht aktivierungsfähig i. S. d. §§ 248ff. sind, begründen grds. keine angemessenen Kompensationsleistungen.
Rn. 69
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Auch bei einem nicht bilanzierungsfähigen Nachteil muss der gewährte Ausgleich grds. bilanzierungsfähig sein. Der Umstand, dass der Nachteil im Jahr der Veranlassung noch nicht bilanzierungsfähig war, schließt nämlich nicht aus, dass es zu einem späteren Zeitpunkt doch zu einem quantifizierbaren Schadenseintritt beim TU kommt. Der Schutz der Minderheitsaktionäre und der Gläubiger ist aber nur dann hinreichend gesichert, wenn die Gesellschaft in keiner denkbaren Entwicklung schlechter steht, als sie ohne die unzulässige nachteilige Maßnahme stünde. Unsichere Verlustrisiken können daher nicht durch gleichermaßen unsichere Erwerbschancen ausgeglichen werden. Zwar mag hier bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung eine Äquivalenz von Nachteil und Vorteil zu bejahen sein, dem Schutzanliegen der §§ 311ff. AktG ist damit aber nicht Genüge getan; vielmehr muss sichergestellt sein, dass im Fall einer künftigen Realisierung der Verlustrisiken dem UN in jedem Fall ein vollwertiger Ausgleich zufließt. An dieser Stelle ist entscheidend, dass § 311 AktG gerade nicht die Rechtswidrigkeit der Nachteilszufügung beseitigt, sondern das Verhalten des beherrschenden UN nur für den Fall sanktionsfrei stellt, wenn aus der ex-post-Betrachtung die Interessen des von § 311 AktG geschützten Personenkreises nicht beeinträchtigt sind. Etwas anderes mag dann gelten, wenn zwischen Nachteil und Vorteil (Gewinnchance) ein inhaltlicher Zusammenhang besteht, so dass auch der Vorstand eines unabhängigen UN bei einer wirtschaftlichen Bewertung eine Gesamtschau vorgenommen hätte. Wenn im Schrifttum für den Fall der Zufügung eines nicht bilanzierungsfähigen Nachteils für die Kompensationsleistung ebenfalls keine Bilanzierungsfähigkeit gefordert wird (vgl. KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 63; MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 351ff.), kann dies nur für den Fall anerkannt werden, dass auch bei fehlender Bilanzierungsfähigkeit die Kompensationsleistung nicht hinter dem Nachteil zurückbleiben kann (vgl. weitergehend MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 351ff., im Hinblick auf das Imparitätsprinzip des deutschen Bilanzrechts). Nur in diesem Fall ist eine Benachteiligung des TU ausgeschlossen und der Schutzzweck des § 311 AktG somit gewahrt.