Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
1. Allgemeine Bewertungsgrundsätze
Rn. 426
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Aus dem Gesetzeswortlaut des § 255 Abs. 4 geht die Prämisse der UN-Fortführung nicht explizit hervor. Allerdings gilt das Going Concern-Prinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 2, nach dem i. R.d. Bewertung von der Fortführung der UN-Tätigkeit auszugehen ist, sofern dieser Annahme nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen, auch für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts. Darüber hinaus liegt der Konzeption des beizulegenden Zeitwerts (wie auch nach IFRS 13.24 i. V. m. Appendix A) der Grundsatz der UN-Fortführung zugrunde. Folglich wird der beizulegende Zeitwert nicht durch den Betrag bestimmt, der i. R.v. erzwungenen Geschäften, zwangsweisen Liquidationen oder Notverkäufen zu erzielen bzw. zu bezahlen wäre (vgl. zur Abgrenzung eines aktiven Markts HdR-E, HGB § 255, Rn. 429). Gleichwohl hat der beizulegende Zeitwert eines Finanzinstruments zwingend die Bonität des Emittenten widerzuspiegeln (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. X, S. 197 (237)).
Rn. 427
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der Grundsatz der Beibehaltung der Bewertungsmethoden nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 soll die Vergleichbarkeit aufeinanderfolgender JA gewährleisten. Er erlangt i. R.d. Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts insbesondere Bedeutung, sofern allg. anerkannte Bewertungsmethoden nach § 255 Abs. 4 Satz 2 zur Anwendung gelangen (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 438ff.). Die gewählte Bewertungsmethode ist – sofern ein aktiver Markt weiterhin nicht besteht – im Zeitablauf stetig anzuwenden (Methodenstetigkeit), es sei denn, die Anwendung einer anderen Methode führt nachweislich zu aussagefähigeren Ergebnissen oder die zuvor gewählte Methode ist aufgrund von Änderungen der Datenbasis nicht mehr anwendbar. Insofern ist die Angemessenheit der verwendeten Methoden zu jedem Bewertungsstichtag zu überprüfen und ggf. an veränderte Marktgegebenheiten sowie aktuelle Entwicklungen anzupassen (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 439).
2. Bewertungshierarchie
Rn. 428
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
§ 255 Abs. 4 gibt eine Bewertungshierarchie vor, welche (ähnlich der Regelungen nach IFRS 13.72ff.) für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts danach differenziert, inwiefern für das Bewertungsobjekt ein aktiver Markt existiert oder nicht:
(1) |
Besteht für das Bewertungsobjekt ein aktiver Markt, entspricht der beizulegende Zeitwert dem Marktpreis (vgl. § 255 Abs. 4 Satz 1). |
(2) |
Soweit kein aktiver Markt existiert, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allg. anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen (vgl. § 255 Abs. 4 Satz 2). |
(3) |
Lässt sich der beizulegende Zeitwert weder nach § 255 Abs. 4 Satz 1 (Marktwert auf einem aktiven Markt) noch nach § 255 Abs. 4 Satz 2 (Anwendung einer Bewertungsmethode) ermitteln, sind die AHK gemäß § 253 Abs. 4 fortzuführen. Dabei gilt der zuletzt anhand eines Marktwerts auf einem aktiven Markt oder anhand einer allg. anerkannten Bewertungsmethode ermittelte beizulegende Zeitwert als AHK (vgl. § 255 Abs. 4 Satz 3f.). |
Die Hierarchie zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts wurde nicht wortgleich aus § 285 Satz 3ff. (a. F.) übernommen. Gleichwohl wurden für die Ermittlung infolge der Neufassung keine materiellen Veränderungen gesehen (vgl. Löw/Scharpf/Weigel, WPg 2008, S. 1011 (1012)). Klarstellend wird jedoch darauf hingewiesen, dass der nach § 255 Abs. 4 zu ermittelnde beizulegende Zeitwert für Finanzinstrumente nicht notwendigerweise mit dem nach Maßgabe des IFRS 13 zu ermittelnden Fair Value übereinstimmen muss. Dessen ungeachtet dürfte eine solche Übereinstimmung in vielen Fällen gegeben sein (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. X, S. 197 (240); dies ganz offensichtlich vollumfänglich bejahend Theile, DStR 2009, Beilage Nr. 2 zu Heft 18, S. 21 (34)).
3. Notierte Preise auf einem aktiven Markt
Rn. 429
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Auf der ersten Stufe der Bewertungshierarchie ist zunächst festzustellen, inwiefern für das zum beizulegenden Zeitwert zu bewertende Objekt ein aktiver Markt vorliegt. Ist ein öffentlich notierter Marktpreis i. d. S. vorhanden, stellt er den bestmöglichen objektiven Hinweis für den beizulegenden Zeitwert dar. Der Marktpreis kann ausweislich der maßgeblichen RegB nur bei kumulativer Erfüllung folgender Bedingungen als an einem aktiven Markt ermittelt eingestuft werden (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 132f.):
(1) |
Der Marktpreis ist an einer Börse, von einem Händler, einem Broker, einer Branchengruppe, einem Preisberechnungsservice (z. B. Reuters oder Bloomberg) oder einer Aufsichtsbehörde |
(2) |
leicht und regelmäßig erhältlich und |
(3) |
beruht auf aktuellen und regelmäßig auftretenden Markttransaktionen |
(4) |
zwischen unabhängigen Dritten. |
Sofern nur eine der Bedingungen nicht gegeben ist, liegt kein notierter Preis auf einem aktiven Markt vor. In Betracht kommt dann lediglich eine Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts anhand von Bewertungsmethoden i. S. d. § 255 Abs. 4 Satz 2 (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. X, S. 197 (238)).
Rn. 430
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Vorstehende Bedingungen wurden offenbar wortgleich IAS 39.AG71 entnommen. E...