Rn. 8
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Grds. zu beachten sind neben den GoB auch die GoI (vgl. HFA 1/1990, WPg 1990, S. 143 (144); Quick (2000), S. 8ff.; Schulze zur Wiesch, (1961), S. 54ff.) als Bestandteil der GoB (i. w. S.). Die als Ausprägung der GoB zu charakterisierenden GoI stellen Regeln dar, die ein auf "fachgerechte und ordnungsgemäße Aufnahme der Vermögensgegenstände bedachter Kaufmann nach allgemeiner Anerkennung bei der Vorbereitung und Durchführung der Inventur" (AWV (2010), S. 7) anzuwenden hat. Als ergänzende Rechtsnormen in Form eines unbestimmten Rechtsbegriffs legen sie Anforderungen fest, die an eine Inventarisierung zu stellen sind, damit diese ihre Kontrollfunktion erfüllen kann (vgl. Klinger, NB 1958, S. 124ff., 143ff.; Köhler, StBp 1999, S. 57 (58)). So wie eingangs die Vorschriften des § 241 von denen des § 256 abgegrenzt wurden, sind die GoI von den GoBi (vgl. Döllerer, BB 1959, S. 1217ff.), verstanden als explizit kodifizierte "Allgemeine Vorschriften" (vgl. §§ 242–245), "Ansatzvorschriften" (vgl. §§ 246–251) und "Bewertungsvorschriften" (vgl. §§ 252–256a), zu unterscheiden (vgl. Spieth (1956), S. 75).
Übersicht: GoI (modifiziert entnommen aus: AWV (2010), S. 7)
Rn. 9
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Auf Ebene der materiellen GoI fordert der Grundsatz der Vollständigkeit – bezogen auf die Vorratsinventur, dass alle Vorräte bei der Inventur einzubeziehen sind. Hierbei ist das wirtschaftliche Eigentum ausschlaggebend (vgl. Schoor, BuW 2002, S. 793 (796)). Als wirtschaftlicher Eigentümer gilt derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über einen VG ausübt und "zugleich bei dem für die gewählte Gestaltung typischen Verlauf den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf die Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut dergestalt auszuschließen vermag, daß der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung hat" (BFH, Urteil vom 08.08.1990, X R 149/88, BStBl. II 1991, S. 70). So sind unter Eigentumsvorbehalt des Lieferanten entgegengenommene VG beim abnehmenden UN aufzunehmen. In Abhängigkeit vom angewandten Inventurvereinfachungsverfahren ist der Grundsatz der Vollständigkeit unterschiedlich anzuwenden, welches das Beispiel der Stichprobeninventur belegt. Hier ist sicherzustellen, dass alle Elemente der Grundgesamtheit die gleiche Chance haben, in der Stichprobe berücksichtigt zu werden.
Rn. 10
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Der Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit verlangt sachlich richtige Inventurangaben, um ein zutreffendes und willkürfreies Bild der Wirklichkeit zeichnen zu können. "Die Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Grundsatz der Richtigkeit beimisst, wird in den Nichtigkeitstatbeständen der Über- und Unterbewertung (vgl. § 256 AktG) offenkundig. Deshalb sind an eine richtige Bestands- und Werteermittlung strenge Anforderungen zu stellen" (Küting/Leinen, StuB 2000, S. 437 (439)).
Rn. 11
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Der Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung ergibt sich aus § 240 Abs. 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 3. § 241 lässt diesbezüglich Ausnahmen ebenso zu wie § 240 Abs. 3f.
Rn. 12
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Demgegenüber verlangt der Grundsatz der Klarheit auf Ebene der formellen GoI die eindeutige Bezeichnung und eine inhaltlich trennscharfe Abgrenzung der einzelnen Posten untereinander, so dass die für die "Zweckerfüllung der Bilanzkontrolle notwendigen Informationen unmittelbar gewährt werden und nicht erst unter Verursachung zusätzlicher Aufwendungen und Zeitverluste zu erarbeiten sind" (AWV (2010), S. 10). Weiterhin müssen das Inventar und somit auch die Aufzeichnungen zu seinem Zustandekommen i. R.d. Anwendung von Inventurvereinfachungsverfahren intersubjektiv nachprüfbar bleiben. Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit steht daher in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Richtigkeit der Bestandsaufnahme (vgl. auch Küting/Leinen, StuB 2000, S. 437 (439)).
Rn. 13
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Ergänzend ist auch bei der Inventur der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ebenso wie der der Wesentlichkeit (vgl. Gans/Quick, DStR 1998, S. 2027 (2028ff.)) zu beachten. Eine erzielbare Informationsverbesserung der Inventurdaten muss in einem angemessenen Verhältnis zu den hieraus resultierenden Kosten stehen (vgl. HdR-E, HGB § 241, Rn. 22ff.).