Dr. Alfred Simlacher, Dr. Stephan Vossel
Rn. 45
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Für die Ermittlung latenter Steuern ist zunächst relevant, welche Sachverhalte in die Betrachtung einbezogen werden sollen. Hier haben sich zwei Konzepte herausgebildet:
(1) |
Das Timing-Konzept, welchem § 274 (a. F.) seit dem BiRiLiG bis zum Inkrafttreten des BilMoG folgte, und |
(2) |
das Temporary-Konzept, welches dem gegenwärtigen § 274 (und IAS 12) zugrunde liegt. |
Rn. 46
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das Timing-Konzept stellt i. R.e. GuV-orientierten Betrachtung die Jahresergebnisse von Handels- und Steuerrecht gegenüber und versucht, einen zutreffenden Steueraufwand zum handelsrechtlichen Ergebnis herzustellen (vgl. Haufe HGB-Komm. (2023), § 274, Rn. 14). Auslöser für die Bilanzierung von Steuerlatenzen sind unterschiedliche Ergebniserfassungen zwischen den beiden Rechtskreisen, welche sowohl bei ihrer Entstehung als auch bei der späteren Auflösung GuV-wirksam sind (vgl. Heurung, AG 2000, S. 538 (539); Rabeneck/Reichert, DStR 2002, S. 1366; HdJ, Abt. I/18 (2019), Rn. 6). Hieraus ergeben sich folgende Differenzen (vgl. Heurung, AG 2000, S. 538 (539); Bonner-HdR (2019), § 274 HGB, Rn. 27):
(1) |
Permanente Differenzen entstehen aus einer einmalig unterschiedlichen Wirkung eines Geschäftsvorfalls auf die handels- und steuerrechtliche Ergebnisermittlung. Die Differenzen gleichen sich hiernach nicht aus. |
(2) |
Zeitlich begrenzte Differenzen (timing differences) haben über die Totalperiode einen identischen Effekt auf das handels- und steuerrechtliche Ergebnis. Die zugrunde liegenden Sachverhalte werden nur phasenverschoben erfasst. Zudem ist die Auflösung der Differenz eindeutig absehbar. |
(3) |
Quasi-permanente Differenzen entstehen durch einen Ergebnisunterschied zwischen Handels- und Steuerrecht und gleichen sich über die Totalperiode betrachtet wieder aus. Allerdings ist die Auflösung der Differenz von Dispositionen des UN (z. B. Verkaufshandlungen) abhängig, so dass sie sich nicht automatisch vollzieht (teilweise wird von quasi-permanenten Differenzen auch dann gesprochen, wenn der Auflösungszeitpunkt weit in der Zukunft liegt; vgl. HdJ, Abt. I/18 (2019), Rn. 8). |
Nur zeitlich begrenzte Differenzen lösen nach dem Timing-Konzept latente Steuern aus (vgl. Rabeneck/Reichert, DStR 2002, S. 1366 (1367); Haufe HGB-Komm. (2023), § 274, Rn. 16).
Rn. 47
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das nach § 274 (und IAS 12) allein zulässige Temporary-Konzept ist bilanzorientiert (vgl. Heurung, AG 2000, S. 538 (540); Haufe HGB-Komm. (2023), § 274, Rn. 17), stellt somit grds. auf Ansatz- und Bewertungsunterschiede zwischen Handels- und Steuerrecht ab, aus denen bei zukünftiger Differenzauflösung eine Steuermehr- oder -minderbelastung resultiert (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 274 HGB, Rn. 6). Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Differenzen erfolgswirksam oder erfolgsneutral entstanden sind. Weiterhin werden auch quasi-permanente Differenzen mit in die Betrachtung einbezogen. Das Temporary-Konzept unterscheidet somit nur zwischen temporären Differenzen, welche für die Bilanzierung latenter Steuern zu betrachten sind, und irrelevanten anderen (permanenten) Differenzen (vgl. Rabeneck/Reichert, DStR 2002, S. 1366 (1367)).
Rn. 48
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Temporäre Differenzen werden – je nachdem, ob aus ihrer Auflösung ein Steuermehr- oder Steuerminderaufwand erwartet wird – als zu versteuernde oder abzugsfähige temporäre Differenzen bezeichnet (vgl. ähnlich Beck Bil-Komm. (2024), § 274 HGB, Rn. 5). Elementare Voraussetzung neben der bloßen Differenz ist somit auch die zukünftige Steuerwirkung, denn sämtliche bestehenden bilanziellen Differenzen zwischen Handels- und Steuerrecht lösen sich spätestens mit Beendigung des UN auf. Führt die Auflösung jedoch zu keiner Steuerwirkung, weil z. B. die hieraus resultierenden Erträge steuerfrei gestellt werden oder die Aufwendungen steuerlich nicht abzugsfähig sind, liegt eine irrelevante permanente Differenz vor.
Rn. 49–54
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
vorläufig frei