Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
Rn. 147
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
Der Gesetzgeber hat die Kündigung des Prüfungsauftrags durch den AP nur bei Eintreten eines ›wichtigen Grundes‹ zugelassen. Zur Interpretation dieser Gesetzesformulierung ist nach der im Schrifttum einhellig vertretenen Ansicht grds. auf das Verständnis des wichtigen Grundes bei der Kündigung eines Dienstvertrags zurückzugreifen (vgl. nur Zimmer 2002, § 318, Rn. 81). Nach § 626 BGB kann ein Dienstverhältnis jederzeit aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt gem. § 626 BGB dann vor, ›wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses ... nicht zugemutet werden kann‹. Wesentliches Kriterium ist folglich, dass die Fortsetzung des Rechtsverhältnisses unzumutbar ist (so auch Zimmer 2002, § 318, Rn. 81). Bezogen auf die Abschlussprüfung bedeutet dies, dass der AP den Prüfungsauftrag aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn ihm die Fortsetzung der Abschlussprüfung nicht zugemutet werden kann. Bei der Konkretisierung des Kriteriums der Zumutbarkeit sind allerdings zwei wesentliche Unterschiede zwischen dem allgemeinen Dienstvertragsrecht und dem Rechtsverhältnis zwischen prüfungspflichtigem UN und AP zu berücksichtigen: Erstens bestimmt § 318 Abs. 6 Satz 2 ausdrücklich, dass Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt des Bestätigungsvermerks sowie seine Erteilung oder Versagung keinen wichtigen Grund i. S. v. § 318 Abs. 2 Satz 1 darstellen. Zweitens ist das Kriterium der Zumutbarkeit vor dem Hintergrund zu interpretieren, dass der AP eine öffentliche Aufgabe erfüllt (vgl. dazu Schulze-Osterloh, J. 1976, S. 411 ff.) und daher das Fortbestehen des Rechtsverhältnisses zwischen prüfungspflichtigem UN und AP grds. nicht zur Disposition der Vertragsparteien gestellt ist. Die von § 626 BGB geforderte Interessenabwägung zwischen den Vertragsparteien muss daher im Kontext der Abschlussprüfung so interpretiert werden, dass neben den Interessen des geprüften UN und des AP auch die öffentliche Funktion der Abschlussprüfung zu berücksichtigen ist. I. W. sind die folgenden Fallgruppen zu diskutieren:
Rn. 148
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
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Ein Kündigungsgrund liegt vor, wenn für den AP die Durchführung der Abschlussprüfung unmöglich geworden ist. Ein Beispiel dafür ist eine schwer wiegende Erkrankung des AP. Aber auch wenn der AP erst während der Abschlussprüfung erkennt, dass ihm die nötigen Kenntnisse oder Fähigkeiten zur Durchführung der Abschlussprüfung fehlen und er dieses Problem nicht beheben kann, ist ein wichtiger Grund zur Kündigung des Prüfungsauftrags gegeben. |
Rn. 149
Stand: EL 08 – ET: 10/2010
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Ebenfalls stellt es einen wichtigen Grund dar, wenn der AP bei einer Fortführung der Abschlussprüfung gegen gesetzl. Vorschriften verstoßen würde und dies nicht anders als durch eine Kündigung des Prüfungsauftrags verhindern kann. Der wichtigste Fall ist hier ein Verstoß gegen die Unabhängigkeitsanforderungen des § 319 Abs. 2 bis 5 sowie der §§ 319a und 319b durch Sachverhalte, die erst nach Abschluss des Prüfungsvertrags auftreten. Ein Verstoß gegen die Tatbestände des § 319 Abs. 2 bis 5 sowie der §§ 319a und 319b führt dazu, dass sich der AP einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht. Dieser kann er nur entgehen, wenn er den Ausschlussgrund umgehend beseitigt oder, falls dieses nicht möglich ist, den Prüfungsauftrag kündigt. Einige der in § 319 Abs. 2 bis 5 sowie §§ 319a und 319b genannten Tatbestände können vom Prüfer bzw. von den Personen, mit denen er seinen Beruf gemeinsam ausübt, nachträglich beseitigt werden. Halten z. B. der Prüfer oder seine Mitarbeiter oder Sozii Anteile an der zu prüfenden Gesellschaft, so können die Anteile zu Beginn der Prüfung verkauft werden. Ein kurzzeitiger Anteilsbesitz, u. U. auch während der Prüfung, ist nicht in jedem Fall ein wichtiger Grund für die Kündigung durch den Prüfer. Im Interesse der prüfungspflichtigen Gesellschaft kann man nicht annehmen, dass allein der Eintritt eines der Ausschlussgründe der §§ 319 Abs. 2 bis 5, 319a oder 319b während der Prüfung für den AP die Pflicht auslöst, den Prüfungsauftrag umgehend zu kündigen, sofern der Ausschlussgrund umgehend beseitigt werden kann und wird. Dies wäre aus der Sicht der am Prüfungsergebnis interessierten Seiten unbillig, da z. B. aufgrund kurzfristigen Anteilsbesitzes weder das Interesse des UN an seiner sachgerechten und ordnungsgemäßen Prüfung beeinträchtigt wird noch das Interesse der Öffentlichkeit an einem vertrauenswürdigen Urteil, sofern die Anteile nicht spekulativ, z. B. zur Ausnutzung von bei der Prüfung erhaltenen Informationen, erworben wurden. Der Prüfer sollte bei Eintreten eliminierbarer und damit nicht wesentlicher Ausschlussgründe der §§ 319 Abs. 2 bis 5, 319a oder 319b während der Prüfung die prüfungspflichtige Gesellschaft über diesen Tatbestand unterrichten und dann umgehend dafür sorgen, dass dieser Ausschlussgrund b... |