Rn. 125
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Nach den §§ 256 Abs. 5 Nr. 2, 125 AktG ist ein JA nichtig, wenn Bilanzposten unterbewertet sind und dadurch vorsätzlich die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft verschleiert oder unrichtig wiedergegeben wird. Die Nichtigkeit des JA kann mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des JA (vgl. §§ 256 Abs. 7, 249 AktG) unterscheidet sich hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen wesentlich von dem Sonderprüfungsverfahren wegen Unterbewertung (vgl. § 258 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Während i. R.e. Antrags nach § 258 AktG "nicht unwesentliche" Unterbewertungen genügen, ist i. R.d. § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG eine gravierendere Unterbewertung zu verlangen. Überdies ist nach den strengeren Verfahrensvoraussetzungen für eine Nichtigkeitsklage erforderlich, dass i. R.d. Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Hierauf kommt es demgegenüber bei dem Verfahren nach § 258 AktG nicht an.
Rn. 126
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Rechtsfolge einer begründeten Nichtigkeitsklage wegen Unterbewertung ist der Fortfall der Feststellungswirkungen (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 256, Rn. 32). Die durch die Feststellung des JA durch den AR gegebenen Rechtswirkungen in Bezug auf die vom Vorstand vorgeschlagenen bilanzpolitischen Maßnahmen, die Einstellungen in die Rücklagen oder die Auflösung von Rücklagen und die mit der Feststellung verbindlich werdenden Bewertungen (vgl. HdR-E, AktG § 172, Rn. 4; Hüffer-AktG (2021), § 172, Rn. 5) treten nicht ein. Damit wird auch ein Gewinnverwendungsbeschluss der HV nichtig (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 1 AktG). Demgegenüber lässt das auf § 258 Abs. 1 Nr. 1 AktG gestützte Sonderprüfungsverfahren die Feststellung des JA unberührt und führt im Fall eines erfolgreichen Antrags zu einer Korrektur der angegriffenen Bilanzansätze, ohne den JA insgesamt zwingend infrage zu stellen (vgl. MünchKomm. AktG (2012), § 258, Rn. 65).
Rn. 127
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Soweit die strengeren Voraussetzungen einer Nichtigkeit des JA nach § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG gegeben sind, liegen auch die Voraussetzungen für einen Antrag auf Sonderprüfung wegen nicht unwesentlicher Unterbewertung nach § 258 Abs. 1 Nr. 1 AktG vor. Beide Verfahren sind also grds. nebeneinander möglich (vgl. Claussen, in: FS Barz (1974), S. 317 (329)). Insbesondere wird ein Antrag nach § 258 AktG nicht durch eine mögliche Nichtigkeit des JA ausgeschlossen (vgl. KK-AktG (2017), § 258, Rn. 13; MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 65). Zwar soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine Nichtigkeitsklage gegenüber dem Sonderprüfungsverfahren vorrangig sein (vgl. HdR-E, AktG § 258, Rn. 125). In der Praxis werden die Gerichte jedoch stets auch im Fall möglicher Nichtigkeit des JA einen Antrag auf Sonderprüfung zulassen und diesem stattgeben, weil regelmäßig die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG nicht innerhalb der Frist des § 258 Abs. 2 Satz 1 AktG feststellbar sind. Würde aber zunächst der Sonderprüfungsantrag wegen möglicher Nichtigkeit des JA zurückgewiesen und stellt sich anschließend i. R.d. Nichtigkeitsklage heraus, dass die Voraussetzungen des § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG nicht vorliegen, so geht den Antragstellern die Rechtsposition an den §§ 258ff. AktG abschließend verloren, da ein erneuter Antrag nach § 258 Abs. 1 Nr. 1 AktG an der Ausschlussfrist nach § 258 Abs. 2 Satz 1 AktG scheitern wird (HdR-E, AktG § 258, Rn. 82).