Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
1. Begriff der unmittelbaren Altersversorgungsverpflichtung
Rn. 631
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Eine unmittelbare Altersversorgungsverpflichtung liegt vor, wenn sich das UN gegenüber dem Begünstigten verpflichtet hat, die Versorgungsleistung selbst (unmittelbar), d. h. ohne Einschaltung eines selbständigen Versorgungsträgers (Lebensversicherer, Pensionskasse, Pensionsfonds oder Unterstützungskasse) zu erbringen. Am Charakter einer unmittelbaren Altersversorgungsverpflichtung ändert sich allerdings nichts, wenn das UN einen selbständigen Versorgungsträger oder sonstigen Dritten, ohne dass dieser dem Begünstigten gegenüber zur Leistung verpflichtet ist, lediglich in die Abwicklung der Pensionszahlung als "Zahlstelle" einschaltet. Die unmittelbare Altersversorgungsverpflichtung ergibt sich aus einer vom Arbeitgeber erteilten sog. unmittelbaren Versorgungs- bzw. Direktzusage.
Rn. 632
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Eine unmittelbare Altersversorgungsverpflichtung kann auch vorliegen, wenn sich das UN zur Zahlung eines Überbrückungsgelds (Übergangsgelds, Gnadengehalts, Überbrückungszuschusses etc.) bei Pensionierung, Invalidität oder Tod verpflichtet hat, etwa durch Weitergewährung der Aktivenbezüge. Auch bei diesen Leistungen handelt es sich um solche der Alters-, Hinterbliebenen- oder Invalidenversorgung (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 18.03.2003, 3 AZR 315/02 (nicht amtlich veröffentlicht) sowie BAG, Urteil vom 28.10.2008, 3 AZR 317/07, DB 2009, S. 1714). Kann der Berechtigte allerdings die Leistungen noch vor seiner Pensionierung allein aufgrund seines Ausscheidens aus dem UN beanspruchen, handelt es sich bei dem Überbrückungsgeld nicht um eine betriebliche Altersversorgung und auch nicht um eine Altersversorgungsverpflichtung, sondern um "ähnliche Verpflichtungen" (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 607).
Rn. 633
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Unmittelbare Altersversorgungsverpflichtungen können sowohl individual- als auch kollektivrechtlich begründet werden (vgl. BetrAVG-Komm. (2014/I), Kap. 4, Rn. 4ff.):
(1) individualrechtlich: |
Einzelzusage, ausdrückliche vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage), betriebliche Übung und Grundsatz der Gleichbehandlung; |
(2) kollektivrechtlich: |
Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung sowie Richtlinien und Vereinbarungen nach dem Sprecherausschußgesetz (SprAuG). |
In der Literatur wird mitunter die Auffassung vertreten, dass Verpflichtungen aus unmittelbaren Versorgungszusagen, die auf einer betrieblichen Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz beruhen, keine unmittelbaren Pensionsverpflichtungen sind, sondern ähnliche Verpflichtungen (vgl. etwa Ahrend, WPg 1986, S. 577 (579); so wie hier: ADS (1998), § 249, Rn. 85; Beck Bil-Komm. (2020), § 249 HGB, Rn. 158; Förschle/Klein, DB 1987, S. 341 (346)). Das Betriebsrentengesetz zählt sie aber zweifelsfrei zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG).
2. Grundsatz: Passivierungspflicht
a) Passivierungspflicht
aa) Allgemeines
Rn. 634
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Unmittelbare Altersversorgungsverpflichtungen sind aufgrund des § 249 Abs. 1 Satz. 1 grds. voll zu passivieren. Da § 249 erstmals auf GJ anzuwenden war, die nach dem 31.12.1986 begannen (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 EGHGB), war z. B. zum Ende eines GJ, das vom 01.10.1986 bis zum 30.09.1987 reichte – auch für eine am 01.09.1987 erteilte Versorgungszusage – noch keine Rückstellung zu bilden, wohl aber im darauffolgenden GJ. Anders war es aber, wenn ein Rumpf-GJ vom 01.01. bis zum 30.09.1987 eingeschoben wurde (vgl. zu den Ausnahmen von der Passivierungspflicht des § 249 Abs. 1 Satz 1 und der Differenzierung zwischen sog. Alt- und Neuzusagen HdR-E, HGB § 249, Rn. 641ff.).
bb) Unmaßgeblichkeit steuerrechtlicher Passivierungsvoraussetzungen
Rn. 635
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Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rückstellungsbildung ist zwischen den steuerrechtlichen und den handelsrechtlichen Anforderungen zu unterscheiden. So ist die Bildung einer Pensionsrückstellung in der StB gemäß § 6a Abs. 1 EStG u. a. nur dann zulässig, wenn die Zusage schriftlich erteilt und dem Versorgungsberechtigten ein Rechtsanspruch eingeräumt wurde.
Rn. 636
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Anders als im Steuerrecht ist die Einhaltung der Schriftform (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG) handelsrechtlich unbeachtlich (vgl. zum Schriftformerfordernis des § 6a EStG L/B/P (2020), § 6a EStG, Rn. 99ff.). Es fehlt insoweit nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage, vielmehr würde eine solche Regelung, die nur die Berücksichtigung von Verpflichtungen aus schriftlich fixierten Versorgungszusagen vorschreiben würde, handelsrechtlich keinen Sinn machen. Denn die arbeitsrechtliche Verpflichtung, der das Handelsrecht letztlich Rechnung tragen muss, besteht unabhängig davon, ob ihr eine schriftliche oder mündliche Zusage zugrunde liegt oder ob sie "nur" auf einer betrieblichen Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz beruht (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Das Bestehen einer ungewissen Verbindlichkeit ist unabhängig vor ihrem Rechtsbegründungsakt.
Rn. 636a
Stand: EL 31 – ET: 01/2021
Laut § 6a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG muss die Pensionszusage auch eindeutige Aussagen zu Art, Form und Voraussetzungen sowie Höhe der in Aussicht...