Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
1. Ansatz
Rn. 917
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
IAS 19 verlangt ausnahmslos eine Passivierung der ungedeckten Versorgungsverpflichtungen. Nur wenn sie nicht "materiell", also unbedeutend sind, dürfen sie unerfasst bleiben (vgl. Wollmert/Achleitner, WPg 1997, S. 209 (214f.)). Letztlich bedeutet dies, dass IAS 19 grds. die Passivierung ungedeckter Versorgungsverpflichtungen und ähnlicher Verpflichtungen in der Bilanz vorschreibt, während nach deutschem Recht noch erhebliche Passivierungswahlrechte – mit Anhangangabe(n) bei KapG und diesen gleichgestellten Gesellschaften – bestehen (vgl. ausführlich zur Bilanzierung nach IAS 19 BetrAVG-Komm. (2018/II), Kap. 49, Rn. 1ff.).
2. Bewertung
Rn. 918
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
IAS 19 schreibt die sog. "projected unit credit method" vor. Sie wird nach dem Inkrafttreten des BilMoG auch überwiegend im deutschen JA angewandt. Bei dieser Methode werden vermutliche künftige Lohnsteigerungen sowie Rentenanpassungen bereits bei der Bewertung der Versorgungsverpflichtung einbezogen. Dies führt dazu, dass fast immer der Verpflichtungswert nach IAS 19 über dem korrespondierenden Betrag nach deutschem Steuerrecht liegt. Je nach Bewertungsannahme und der Zusammensetzung des versorgungsberechtigten Personenkreises – ob viele junge oder ältere Anwärter vorhanden sind, wie hoch der Rentneranteil ist – kann der IFRS-Wert den steuerlichen Verpflichtungswert um 20, 30, ja sogar bis zu 50 % und mehr übersteigen.
Rn. 919
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Allerdings musste dies nicht so sein. Es gab in den ersten Jahren ab 2003 auch Versorgungspläne, bei denen der IFRS-Wert spürbar unter dem herkömmlichen steuerlichen Verpflichtungswert liegen konnte, weil damals der IFRS- und der steuerbilanzielle Zins nicht wie zur Zeit weit auseinanderfielen und wenn
- das UN für den Eintritt des Versorgungsfalls versprochen hatte,
- diese Kapitalien nicht mit der Gehaltsentwicklung mitwuchsen und
- die der Pensionsverpflichtung zugrundeliegende Versorgungszusage als beitragsorientierte Leistungszusage (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) ausgestaltet wurde (vgl. Höfer, BetrAV 2003, S. 422 (423)).
Dann war nach IAS 19 keine vermutete künftige Lohn- und Rentenanpassung einzurechnen, zumal die Unverfallbarkeit des Versorgungsversprechens sich nicht pro rata temporis nach § 2 Abs. 1 BetrAVG, sondern nach § 2 Abs. 5a BetrAVG (derweil: § 2 Abs. 5 BetrAVG) richtet(e). Wegen dieser Sondervorschrift wird die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft des AN nicht zeitanteilig an der im Betrieb verbrachten Betriebstreue zur bis zur Pensionierung möglichen Betriebstreue gemessen, sondern nur aus dem kalkulatorischen Beitrag abgeleitet, der zugunsten des AN seit der Erteilung der Versorgungszusage aufgewendet wurde. Daher wirkt sich die Dienstzeit des Mitarbeiters, die er vor der Erteilung der Versorgungszusage abgeleistet hat, nicht werterhöhend auf die unverfallbare Anwartschaft aus. Die korrespondierende Verpflichtung ist kleiner, der Rückstellungswert nach IAS 19 entsprechend geringer. Er konnte – auch wieder in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des versorgungsberechtigten Personenkreises – 10 bis 20 % oder sogar mehr unter dem herkömmlichen deutschen Bilanzansatz liegen.
3. Versicherungsmathematische Gewinne und Verluste: Direktverbuchung gegen das Eigenkapital
Rn. 920
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
IAS 19 gestattete in seiner früheren Fassung neben einer sofortigen Aufwandserfassung noch eine Verteilung und somit Glättung des Versorgungsaufwands außerhalb der GuV (sog. Korridormethode). Alternativ konnte eine erfolgsneutrale Buchung von versicherungstechnischen Gewinnen und Verlusten gegen das EK erfolgen (vgl. hierzu ausführlich BetrAVG-Komm. (2014/II), Kap. 49, Rn. 119ff.).
Rn. 921
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
In seiner aktuellen Fassung verlangt IAS 19, versicherungsmathematische Gewinne und Verluste alleinig und direkt über das sog. sonstige Ergebnis (other comprehensive income (OCI)) innerhalb des EK erfassen zu müssen (vgl. BetrAVG-Komm. (2018/II), Kap. 49, Rn. 146ff.), nicht jedoch obligatorisch in den Gewinnrücklagen; vielmehr kann dafür ein separater Posten im EK verwendet werden. Gemäß IAS 19.122 besteht zudem die Möglichkeit, derlei Effekte, die im Übrigen auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht erfolgswirksam recycelt werden dürfen, zwischen den einzelnen EK-Posten umzugliedern, mithin etwa anfänglich in einem separaten Posten erfasste Beträge später in die Gewinnrücklagen zu übertragen. Solch eine "Umgliederung könnte u. U. [dann, d.Verf.] angebracht sein, wenn z. B. die Pensionsverpflichtung abgegolten wird und die Eingliederung eine Trennung zwischen aktiven sowie inaktiven Komponenten signalisieren soll" (Haufe IFRS-Komm. (2020), § 22, Rn. 150).
Rn. 922
Stand: EL 32 – ET: 06/2021
Volatilität des Rechnungszinses: IAS 19.83 verlangt eine Bewertung der Versorgungsverpflichtung mit Hilfe der Effektivrendite von Industrieobligationen, die mindestens ein AA-Rating genießen. Existieren in einem Land nicht entsprechende Obligationen, kann hilfsweise die Effektivrendite von festverzinslichen Staatspapieren herangezogen werden (vgl. hierzu auch Geilenkothen...