Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Peter Dittmar
1. Grundsatz der Prüfung aller im Konzernabschluss zusammengefassten Jahresabschlüsse
Rn. 130
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
§ 317 Abs. 3 Satz 1 verlangt grds. eine Prüfung aller im KA zusammengefassten JA. Hierzu zählen die JA des MU und der TU sowie die JA der gemäß § 310 quotal konsolidierten Gemeinschafts-UN (vgl. ADS (2000), § 317, Rn. 191; Bonner HGB-Komm. (2022), § 317, Rn. 134; zur Prüfung von assoziierten UN HdK (1998), Kap. II/3, Rn. 1485). Hingegen fallen JA von assoziierten UN, die i. R.d. Equity-Methode in den KA einbezogen werden und bei deren Bilanzierung es sich nur um eine Bewertungsmethode handelt, nicht unter § 317 Abs. 3 Satz 1 (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 39; zum Charakter der Equity-Methode Baetge/Kirsch/Thiele (2021b), S. 409f.).
Rn. 131
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
§ 299 Abs. 2 Satz 2 sieht gleichwohl für TU, deren Abschlussstichtag um mehr als drei Monate vor dem des KA liegt, die Aufstellung eines auf Zeitraum und Stichtag des KA bezogenen Zwischenabschlusses vor, der die Grundlage für die Einbeziehung des TU in den KA bildet. Aus der Formulierung des § 317 Abs. 3 Satz 1 zu folgern, diese Zwischenabschlüsse seien nicht zu prüfen, da sie keine JA sind, wäre verfehlt. Denn Sinn der Prüfung der JA ist es, zu gewährleisten, dass die in den KA einbezogenen JA ordnungsgemäß sind. Infolgedessen darf ein Teil dieser Abschlüsse nicht nur deshalb ungeprüft bleiben, weil die Abschlussstichtage des MU und einiger TU um mehr als drei Monate voneinander abweichen (vgl. so auch ADS (2000), § 317, Rn. 182; Bonner-HdR (2017), § 317 HGB, Rn. 131). Auch vor diesem Hintergrund wird in den berufsständischen Verlautbarungen entgegen der Formulierung des § 317 Abs. 3 Satz 1 nicht von im KA zusammengefassten JA, sondern verallgemeinernd von "Finanzinformationen" gesprochen (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. 9(a)).
2. Durchführung der Konzernabschlussprüfung
Rn. 132
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Mit dem durch das BilMoG geänderten § 317 Abs. 3 Satz 2 ist Art. 27 lit. a) und b) der AP-R 2006/43/EG (ABl. EU, L 157/87ff. vom 09.06.2006, ABl. EU, L 158/196ff. vom 27.05.2014) im deutschen Gesetz verankert worden. Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass der KA-Prüfer bei der Prüfung der konsolidierten Abschlüsse eines Konzerns die Gesamtverantwortung für den BV bezüglich der konsolidierten Abschlüsse trägt sowie eine Prüfung durchführt und diejenigen Unterlagen aufbewahrt, die seine Überprüfung der Ergebnisse der Arbeit von Teilbereichsprüfern zum Zweck der KA-Prüfung bestätigen. Gemäß § 317 Abs. 3 Satz 2 wird der KA-Prüfer konkret dazu verpflichtet, die in den KA einzubeziehenden und von Teilbereichsprüfern geprüften JA selbst zu überprüfen und diese Überprüfung zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang hat der KA-Prüfer zu beurteilen, ob und inwieweit er die Ergebnisse der Arbeiten von Teilbereichsprüfern für seine eigenen Prüfungsurteile "verwerten" kann (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. 6; Petersen/Zwirner, WPg 2008, S. 967 (968); HdR-E, HGB § 317, Rn. 134). Der KA-Prüfer hat dazu Prüfungshandlungen zu den beruflichen Verhaltensanforderungen und Kompetenzen der Teilbereichsprüfer (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. 19f.) sowie zur Beurteilung der Ergebnisse der Arbeit von Teilbereichsprüfern durchzuführen (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. 42f., 44). Aus der vom KA-Prüfer geforderten Prüfung der Verwertbarkeit der Ergebnisse der Arbeiten von Teilbereichsprüfern kann indes nicht gefolgert werden, dass die AP von MU und TU eines Konzerns zwingend durch denselben AP durchgeführt werden muss (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 87).
Rn. 133
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der KA-Prüfer hat vor der Annahme eines Konzernprüfungsauftrags zu beurteilen, ob vernünftigerweise erwartet werden kann, dass ausreichende und angemessene Prüfungsnachweise zum Konsolidierungsprozess und zu den Finanzinformationen der Teilbereiche als Grundlage für das Konzernprüfungsurteil erlangt werden können (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. 12). Dazu hat der KA-Prüfer ein Verständnis vom Konzern, seiner Teilbereiche und dem jeweiligen Umfeld zu erlangen, das ausreichend ist, um die für den KA bedeutsamen Teilbereiche zu identifizieren (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 317 HGB, Rn. 256; Link/Giese/Kunellis, BB 2008, S. 378 (379)). "Bedeutsam" ist ein Teilbereich dann, wenn er
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für sich genommen – der Größe nach – von wirtschaftlicher Bedeutung für den Konzern ist oder |
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aufgrund spezifischer Merkmale oder Umstände wahrscheinlich bedeutsame Risiken wesentlicher falscher Darstellungen im KA enthält (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. 9(m)). |
In der Praxis wird häufig ein Prozentsatz von 15 % auf eine oder mehrere Bezugsgrößen angewendet, um Teilbereiche von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung zu identifizieren (vgl. WP-HB (2023), Rn. L 1371f.; Haufe HGB-Komm. (2022), § 317, Rn. 60). Abhängig von den UN-individuellen Gegebenheiten kann auch ein höherer oder niedrigerer Prozentsatz als angemessen erachtet werden (vgl. ISA [DE] 600 (2020), Rn. A5). Teilbereiche, die bei einer solchen quantitativen Betrachtung zunächst nicht als bedeutsam eingestuft werden, können gleichwohl aufgrund ihrer spezifi...