Rn. 30
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Nach § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG kann ein Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern gestellt werden, wenn "Anlaß für die Annahme" einer nicht unwesentlichen Unterbewertung bestimmter Posten eines festgestellten JA besteht.
1. Bilanzposten
Rn. 31
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Als Posten eines JA sind die in § 266 (Gliederung der Bilanz) genannten Positionen anzusehen (vgl. ebenso KK-AktG (2017), § 258, Rn. 20; MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 13). Für diese Auffassung spricht insbesondere der Wortlaut des § 265 Abs. 5 Satz 1, der die Untergliederung von "Posten" des JA gestattet, die Positionen dieser Untergliederung jedoch nicht als Posten bezeichnet. Somit darf sich die Prüfung einer unzulässigen Unterbewertung auch nicht auf einen VG bzw. einzelne Schuldpositionen beschränken, selbst wenn der Antragsteller nur deren Bewertung beanstandet hat (vgl. ebenso MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 15; derweil auch KK-AktG (2017), § 258, Rn. 21; a. A. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 69). Allerdings können sich aus einer im Antrag auf Sonderprüfung angeführten Unterbewertung einzelner Gegenstände eines Bilanzpostens Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Bilanzposten als solcher ebenfalls unterbewertet ist (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 19, m. w. N.).
2. Verständnis der Unterbewertung
Rn. 32
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Vom Antragsteller darf – abgeleitet aus den vorangegangenen Überlegungen – nicht gefordert werden, dass er einzelne VG oder Verbindlichkeiten als unterbewertet bezeichnet (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 5). Die Bezugnahme auf den jeweiligen Bilanzposten reicht aus. Jedoch ist der Antragsteller nicht gehindert, im Rahmen seines Antrags auch auf die Bewertung einzelner VG einzugehen (vgl. ähnlich MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 13). Aus Sicht des erkennenden Gerichts ist eine derartige Präzisierung wünschenswert, da sie im Ergebnis die Überprüfung des Antrags erleichtert und eine präzise Auftragserteilung an den Sonderprüfer ermöglicht.
Rn. 33
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften beziehen sich regelmäßig nicht auf die Bilanzposten als solche, sondern nur auf einzelne VG bzw. Schulden. Daher ist fraglich, unter welchen Voraussetzungen ein Posten des JA unterbewertet ist. Hinsichtlich des Begriffs "Unterbewertung" verweist § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG durch Klammerzusatz auf die Legaldefinition in § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG. Nach dieser Vorschrift sind Aktivposten unterbewertet, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, und Passivposten mit einem höheren Wert als dem handelsrechtlich zulässigen angesetzt wurden. Es ist also zunächst die jeweilige Wertuntergrenze (Aktivseite) bzw. Wertobergrenze (Passivseite) zu ermitteln und mit dem vorgefundenen Bewertungsansatz abzugleichen.
Rn. 34
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Da sich die Unterbewertung jedoch auf Bilanzposten, nicht auf einzelne VG oder Schulden beziehen muss, sind zwei Möglichkeiten zur Bestimmung der (zulässigen) Wertuntergrenze von Aktivposten bzw. Wertobergrenze von Passivposten denkbar. Zum einen könnten die (u. U. fiktiven) Wertuntergrenzen für die einzelnen zu einem Bilanzposten zusammengefassten VG bzw. die (u. U. fiktiven) Wertobergrenzen für die einzelnen Schulden addiert werden. Zum anderen ist es vorstellbar, nur jeweils die unzulässigen Wertansätze einzelner VG und Schulden zu berücksichtigen. Ausgleichende Effekte aus einer Wahlrechtsausübung bei anderen VG oder Schulden entfalten dann keine Wirkung.
Rn. 35
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Zunächst scheint die Argumentation, es sei die Unterbewertung von (aus einzelnen VG oder Schulden zusammengefassten) Bilanzposten zu beurteilen, für einen Vergleich der tatsächlichen Wertansätze mit der Summe u. U. fiktiver Wertobergrenzen bzw. Wertuntergrenzen zu sprechen. In diesem Fall wäre jedoch dann keine Unterbewertung eines Postens des JA anzunehmen, wenn der Wertansatz einzelner VG oder Schulden zwar handelsrechtlich unzulässig ist, jedoch durch eine handelsrechtlich zulässige Überschreitung der Wertuntergrenze bei anderen VG bzw. Unterschreitung der Wertobergrenze bei anderen Schuldpositionen kompensiert würde. Eine solche Beurteilung wäre mit dem Ziel der Sonderprüfung, eine Beeinträchtigung der Ausschüttungsinteressen der Aktionäre durch Korrektur einer handelsrechtlich unzulässigen Unterbewertung zu vermeiden (vgl. HdR-E, AktG § 258, Rn. 16), nicht vereinbar. Aus diesem Grund sind bei der Beurteilung, ob Bilanzposten unterbewertet sind, lediglich handelsrechtlich unzulässige Wertansätze einzelner VG oder Schulden zu berücksichtigen.
Rn. 36
Stand: EL 34 – ET: 12/2021
Fraglich ist dann weiterhin, ob unzulässige Unterbewertungen durch unzulässige Überbewertungen ausgeglichen werden können. Innerhalb eines Bilanzpostens ist eine solche Kompensation geboten (vgl. so auch MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 14, m. w. N.). Dieser Auffassung widerspricht auch nicht die oben dargestellte Argumentation, nach der durch die Sonderprüfung auch die Einhaltung der handelsrechtlichen Bewertungsv...