Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 15
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Rechtsfolge der Ausgleichspflicht des § 311 AktG trifft das herrschende UN. Auch auf der Tatbestandsseite des § 311 AktG ist dementsprechend nur ein "veranlassendes" Verhalten maßgeblich, das der beherrschenden Gesellschaft als eigenes zugerechnet werden kann bzw. von ihr ausgegangen ist. Unproblematisch greift § 311 AktG bei einem Verhalten der organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführung, Vorstand, persönlich haftender Gesellschafter) des herrschenden UN. Gleichzustellen ist jedes Verhalten der Mitarbeiter oder Vertreter des herrschenden UN, aber auch dasjenige von außenstehenden Dritten, das dem herrschenden UN aus der maßgeblichen Perspektive der abhängigen Gesellschaft zuzurechnen ist. Einschränkend wird man hier freilich verlangen müssen, dass das Verhalten des Dritten entweder von dem beherrschenden UN veranlasst oder für dieses UN zumindest erkennbar war und von ihm gleichwohl nicht unterbunden worden ist (vgl. auch BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 76; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 13; ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 23; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 17; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 25). Anderenfalls fehlt es am Haftungsgrund für dieses UN, da allein das faktische Abhängigkeitsverhältnis nach dem Regelungskonzept des § 311 AktG gerade noch keine Verantwortlichkeit in Form einer Ausgleichspflicht begründet. Erst die der herrschenden Gesellschaft zuzurechnende Veranlassung zieht die Ausgleichspflicht nach sich. Diese Einschränkung folgt somit nicht aus den nur für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht, sondern aus normspezifischen Zurechnungserwägungen. Fälle fehlerhafter Willensbildung auf Seiten der abhängigen Gesellschaft fallen nicht unter den Regelungsbereich des § 311 AktG.
Rn. 16
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
In mehrstufigen UN-Verbindungen können Einflussnahmen von MU und TU gegenüber dem EU nicht generell gegenseitig zugerechnet werden (vgl. ADS (1997), § 311 AktG, Rn. 24; Henssler/Strohn (2021), § 311 AktG, Rn. 13). Nur dann, wenn aus Sicht des EU der Eindruck eines koordinierten Verhaltens entsteht, ist eine entsprechende Gesamtverantwortung zu bejahen (vgl. KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 26; a. A. MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 149ff., wonach von einer widerlegbaren Vermutung der Veranlassung ausgegangen wird, bei der es auf die Sicht des EU grds. nicht ankommt). Anderenfalls sind die nachteiligen Einwirkungen im jeweiligen Abhängigkeitsverhältnis auszugleichen. Beim Gemeinschafts-UN ist ebenfalls nur bei einer über die allg. koordinierte Beherrschung hinausgehenden koordinierten nachteiligen Veranlassung eine Ausgleichspflicht der beherrschenden UN zu bejahen (vgl. dazu Marchand (1985), S. 147ff.; für eine vermutete Veranlassung durch die beherrschenden UN auch hier MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 143ff.).