1. Begriff
Rn. 101
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung ist weitgehend im Steuerrecht entwickelt worden, um den Grundsatz zu gewährleisten, dass die Ausschüttungen der Gesellschaft deren steuerpflichtiges Einkommen nicht mindern dürfen. VGA finden in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ausdrücklich Erwähnung. Steuerrechtlich haben erkannte vGA zur Folge, dass der verdeckt ausgeschüttete Gewinn – außerhalb der Bilanz (vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 658) – dem bilanziell ausgewiesenen Gewinn hinzuzurechnen ist (vgl. GmbHG-GroßKomm. (2020), § 29, Rn. 254ff.). Sie spielen in der Betriebsprüfungspraxis eine große Rolle ("Lieblingskind der Prüfer"; vgl. Streck-KStG (2022), § 8, Rn. 61; im Übrigen Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 600ff., m. w. N.).
Rn. 102
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Eine gesetzliche Definition vGA gibt es nicht (vgl. aber R 8.5 KStR (2022)). Die Anwendungsfälle sind der Natur der Sache nach mannigfaltig. Die Wesensmerkmale des Instituts der vGA sind im Laufe der Jahre von der Rspr. weiterentwickelt worden:
Danach ist unter einer vGA eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. BFH, Urteil vom 22.02.1989, I R 44/85, BStBl. II 1989, S. 475; BFH, Urteil vom 22.02.1989, I R 9/85, BStBl. II 1989, S. 631). Beispiele sind etwa: fingierte Austauschgeschäfte und Beschäftigungsverhältnisse, überhöhte Geschäftsführergehälter, Warenlieferungen zu Vorzugspreisen, Warenbezug zu überhöhten Preisen, Nutzungsüberlassungen ohne Entgelt oder zu Vorzugskonditionen, zu hohe Verzinsungen von Gesellschafterdarlehen, Gewährung von Darlehen an Gesellschafter zu Vorzugskonditionen, überhöhte Konzernumlagen (vgl. GmbHG-GroßKomm. (2020), § 29, Rn. 256f.; NK-GmbHG (2020), § 29, Rn. 67).
Rn. 103
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Die Abgrenzung einer vGA gegenüber einem bloßen Drittgeschäft mit Gesellschaftern erfolgt danach, ob ein gewissenhaft, nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer in sonst gleicher Lage dasselbe Geschäft zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte (h. M.; vgl. stellvertretend Baumbach/Hueck (2022), § 29 GmbHG, Rn. 70). Im Einzelfall ist dies oftmals schwierig zu beurteilen. Selbst wenn die Finanzverwaltung bei einer Betriebsprüfung geleistete Zahlungen als vGA qualifiziert, können diese Zahlungen – aufgrund der unterschiedlichen Ausübung des Beurteilungsspielraums – handelsrechtlich als "Drittgeschäfte" angesehen werden, die dann für die handelsrechtliche RL zusätzliche Aufwandsbuchungen der Gesellschaft bleiben.
2. Handelsrechtliche Zulässigkeit
Rn. 104
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Das AktG verbietet vGA. In § 57 Abs. 3 AktG heißt es: "Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden." Das GmbH-Recht kennt ein solches generelles Verbot nicht. Es enthält jedoch Grundsätze, die eine vGA nur in engen Grenzen zulässig machen:
(1) |
Grundsatz der Kap.-Erhaltung: § 30 GmbHG verbietet Auszahlungen von Mitteln an die Gesellschafter, die zur Erhaltung des Stammkap. erforderlich sind. |
(2) |
Grundsatz der Gleichbehandlung: Ein Vorteil muss allen Gesellschaftern gleichmäßig zugutekommen oder evtl. benachteiligte Gesellschafter müssen zugestimmt haben (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.1983, II ZR 14/83, NJW 1984, S. 1037f.; BGH, Urteil vom 13.11.1995, II ZR 113/94, DStR 1996, S. 271f.). |
(3) |
Grundsatz der Beachtung von Kompetenzregeln: Die Kompetenzregeln zwischen Gesellschaftern, AR und Geschäftsführern müssen beachtet werden. Ein Kompetenzverstoß kann z. B. darin liegen, dass die Geschäftsführer, ohne durch die Satzung oder einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafter (vgl. §§ 45 Abs. 2, 46 Nr. 1 GmbHG) ermächtigt zu sein, Gewinnausschüttungen vornehmen. Letzteres bedeutet praktisch, dass die für die Bilanzfeststellung und Gewinnverwendung nach Gesetz oder Satzung "zuständigen Entscheidungsträger" die Ausschüttung beschließen bzw. ihr zustimmen müssen. |
Rn. 105
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Ergänzend greift auch die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander (vgl. Baumbach/Hueck (2022), § 29 GmbHG, Rn. 74; NK-GmbHG (2020), § 29, Rn. 73). Ein Mehrheitsgesellschafter verletzt diese Pflicht, wenn er aus gesellschaftsfremden Interessen einzelnen Personen oder UN Vorteile aus dem Gesellschaftsvermögen gewährt.
Rn. 106
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Ist eine vGA im Einzelfall unzulässig, so ist der Begünstigte zur Rückzahlung verpflichtet. Liegt ein Verstoß gegen § 30 GmbHG vor, ergibt sich die Rückzahlungspflicht aus § 31 GmbHG. In anderen Fällen bildet das Bereicherungsrecht der §§ 812ff. BGB die Rechtsgrundlage (h. M.; vgl. stellvertretend NK-GmbHG (2020), § 29, Rn. 75, m. w. N.).
Rn. 107
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Geltendmachung dieser Ansprüche obliegt in erster Linie den Geschäftsführern (vgl. § 35 Abs. 1 GmbHG). Werden diese jedoch nicht tätig (z. B. wegen ihrer Abhängigkeit von...