Tz. 89
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Wenn auch das unter HdR-E, HGB § 240, Rn. 83ff., vorgestellte Verfahren der körperlichen Bestandsaufnahme den Inventurzwecken weitestgehend genügt, sind doch Situationen denkbar, in denen eine körperliche Bestandsaufnahme nicht ohne Weiteres möglich oder nicht erforderlich ist. Beispiele hierfür sind "Haldenbestände, bei denen ein Schätzen oder Ausmessen nicht möglich oder zu ungenau und ein Wiegen wegen zu hoher Kosten nicht durchführbar ist" (AK Ludewig der SG (1967), S. 30). Auch unfertige Erzeugnisse, bei denen der Fertigungsgrad aufgrund einer körperlichen Bestandsaufnahme häufig nicht festgelegt werden kann, stellen hierfür ein Beispiel dar. Darüber hinaus sind jedoch auch VG in einem UN vorhanden, die im Laufe mehrerer Jahre in ihrer Substanz unverändert sind; i. d. R. gilt dies für das gesamte AV.
Tz. 90
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
In all jenen Fällen, in denen eine körperliche Bestandsaufnahme nicht erfolgen kann oder unter rationalen Gesichtspunkten nicht erforderlich ist, muss bzw. sollte eine buchmäßige Bestandsermittlung als zulässig angesehen werden. Da aber diese buch- und belegmäßige Vorgehensweise nur als Hilfsmittel zur Durchführung der Inventur anzusehen ist, müssen die hierzu verwandten Unterlagen speziellen Anforderungen genügen. Es muss durch die Implementierung eines ordnungsgemäßen IKS sichergestellt werden, dass sämtliche Veränderungen am physischen Bestand zeitnah und ordnungsgemäß in den der Inventur zugrunde zu legenden Büchern ihren Niederschlag finden.
Bei Industrie- und Handelsbetrieben setzt dies einen gut funktionierenden Informationsfluss zwischen dem Ort des Einsatzes bzw. der Lagerung der VG und der buchmäßigen Erfassungsstelle voraus. Veränderungen des physischen Bestands dürfen nicht ohne autorisierten Beleg vorgenommen werden. Zur Sicherstellung der buchmäßigen, zeitnahen Erfassung der Bestandsveränderung sollte ein verantwortlicher Mitarbeiter der Buchungsstelle bei der Autorisierung mitwirken. Zur Vermeidung von Störungen im Betriebsablauf sollte jedoch die Gestaltung dieser Maßnahme individuell von jedem UN selbst entschieden werden, wobei betriebliche Gegebenheiten letztlich den Ausschlag geben müssen.
Tz. 91
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Ein wesentlicher Bestandteil des zu implementierenden IKS dürfte jedoch darin zu sehen sein, dass die Buchbestände zu regelmäßigen Zeitpunkten mit den tatsächlich vorhandenen physischen Beständen abgestimmt werden sollten (etwa bei Sachanlagen alle drei bis fünf Jahre). Diese Forderung kann u. U. nicht bei jedem VG erfüllt werden. Dort, wo es jedoch irgendwie möglich ist, sollte man bemüht sein, entsprechende Vorgehensweisen zu praktizieren. Beim AV wäre es ohne Weiteres denkbar, den physischen Bestand zu überprüfen; bei Forderungen und Verbindlichkeiten kann dies durch Saldenbestätigungen erreicht werden; bei Haldenbeständen ist eine Abstimmung in den Zeitpunkten denkbar, in denen die Halde weitgehend abgebaut ist. Diese Beispiele zeigen, dass eine systematische körperliche Bestandsaufnahme nicht unbedingt angestrebt werden muss, sondern vielmehr der Zeitpunkt zur Durchführung der Bestandsaufnahme von äußeren Gegebenheiten mit beeinflusst werden kann.
Tz. 92
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Technik der buch- bzw. belegmäßigen Aufnahme ist denkbar einfach. Wird eine kontinuierliche Bestandsfortschreibung praktiziert, ist der buchmäßige Endbestand in das Inventar zu übernehmen. Dies ist bei einer ordnungsgemäßen Anlagenkartei i. R.d. AV der Regelfall (vgl. Husemann (1976), S. 56f.). Erfolgt keine kontinuierliche Bestandsfortschreibung, müssen die den physischen Bestand widerspiegelnden Belege zusammengefasst werden, um den Endbestand, der in das Inventar zu übernehmen ist, zu bestimmen. Begründet durch den derweil weitgehenden Einsatz von EDV-Systemen zur Praktizierung von Bestandsführungen, dürfte diese Vorgehensweise nur noch als Ausnahmefall gelten.