Dr. Tobias Brembt, Dr. Katrin Rausch
1. Verhältnis zu § 319 Abs. 3 sowie zur AP-VO (EU) Nr. 537/2014
Rn. 36
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Regelung in § 319 Abs. 2 determiniert als Generalklausel die allg. Grundsätze, nach denen WP/vBP und WPG/BPG als AP eines UN ausgeschlossen sind. Im Schrifttum werden diese auch als relative Ausschlussgründe bezeichnet (vgl. etwa MünchKomm. HGB (2024), § 319, Rn. 3, wonach diese Terminologie zwar überkommen ist, in der Literatur aber noch verwendet wird; Bonner HGB-Komm. (2022), § 319, Rn. 43). In § 319 Abs. 3 sowie Art. 5 der AP-VO findet sich hingegen jeweils eine kasuistische enumerative Aufzählung solcher Ausschlussgründe, bei denen die Besorgnis der Befangenheit unwiderruflich vermutet wird (diese werden in der Literatur teilweise noch als sog. absolute oder besondere Ausschlussgründe bezeichnet; vgl. etwa MünchKomm. HGB (2024), § 319, Rn. 3). Dieser Katalog ist nicht abschließend, so dass die Generalklausel in § 319 Abs. 2 auch dazu dient, nicht erfasste Fälle, bei denen nach Abwägung eines verständigen Dritten eine Besorgnis der Befangenheit besteht, aufzufangen (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 36f.). Existieren Zweifel, ob ein Sachverhalt unter § 319 Abs. 2 fällt, so ist zunächst zu prüfen, ob dieser Sachverhalt unter § 319 Abs. 3 oder Art. 5 der AP-VO fällt. Ist dies nicht der Fall, gilt es im nächsten Schritt zu prüfen, ob eine Besorgnis der Befangenheit nach § 319 Abs. 2 vorliegt. Zur Verdeutlichung möge folgendes Beispiel dienen: Nach § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 kann ein WP/vBP nicht AP sein, wenn er Mitglied des AR der zu prüfenden KapG ist. Satz 2 weitet diesen Tatbestand auf den Ehegatten bzw. Lebenspartner des WP/vBP aus, wobei jedoch andere Familienangehörige, wie etwa Verwandte in gerader Linie, davon nicht erfasst sind (vgl. HdR-E, HGB § 319, Rn. 41). In diesem Fall ist § 319 Abs. 2 i. V. m. § 29 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BS WP/vBP zu prüfen, wonach der Grad der verwandtschaftlichen Beziehung ein Indiz für eine Besorgnis der Befangenheit darstellt und folglich im Einzelfall abzuwiegen ist. Ähnlich wäre vorzugehen, wenn der Schwellenwert zur Umsatzabhängigkeit des § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 nur knapp unterschritten würde. In diesem Fall wäre § 319 Abs. 3 formal nicht verletzt, jedoch kann speziell dann, wenn weitere Aspekte hinzukommen, eine Verletzung von § 319 Abs. 2 gegeben sein (vgl. stellvertretend BeckOGK-HGB (2024), § 319, Rn. 82ff.).
2. Verhältnis zu weiteren berufsrechtlichen Vorschriften sowie zu § 318 Abs. 3
Rn. 37
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Während das HGB den Begriff der Unabhängigkeit nicht explizit definiert, findet sich sowohl in der WPO als auch der BS WP/vBP jeweils eine Kodifizierung der Gebote der Unabhängigkeit und Unbefangenheit. Gemäß § 43 Abs. 1 WPO hat der WP seinen Beruf unabhängig auszuüben und nach § 49 WPO seine Tätigkeit zu versagen, wenn eine Besorgnis der Befangenheit bei Durchführung eines Auftrags besteht. Die BS WP/vBP konkretisiert diese Grundsätze in den §§ 29ff. Zum Schutz der unabhängigen, eigenverantwortlichen Tätigkeit des WP ist weiterhin in § 44 Abs. 1 WPO geregelt, dass der WP nicht angewiesen werden darf, gegen seine Überzeugung zu handeln. Das Gebot der Unabhängigkeit findet insbesondere Anwendung auf die Tätigkeit als AP, indes erfordern auch andere Tätigkeiten eines WP/vBP bzw. einer WPG/BPG ein unabhängiges und unbefangenes Handeln.
Rn. 38
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
§ 318 Abs. 3 ermöglicht den gesetzlichen Vertretern, dem AR oder einer qualifizierten Mehrheit von Gesellschaftern auf Antrag bei Gericht den AP innerhalb von zwei Wochen nach dessen Wahl zu ersetzen, "wenn dies aus einem in der Person des gewählten Prüfers liegenden Grund geboten erscheint". Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Ausschlussgrund i. S. d. § 319 Abs. 2ff. bzw. nach § 319b besteht und/oder
- ein (materieller) Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 oder Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 2 der AP-VO vorliegt, oder
- die Vorschriften zur Bestellung des Prüfers nach Art. 16 der AP-VO oder die Vorschriften zur Laufzeit des Prüfungsmandats nach Art. 17 der AP-VO nicht eingehalten worden sind.
Dieser Antrag kann nur dann gestellt werden, sofern der Prüfungsauftrag wirksam geschlossen und der Grund für den Antrag erst nach der Wahl zum AP auftrat oder bekannt wurde. War der Grund bereits zum Zeitpunkt der Wahl bekannt, so ist die Bestellung unwirksam und der geschlossene Prüfungsauftrag nach § 134 BGB nichtig.