Rn. 93
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Neben der primär vergangenheitsorientierten Darstellung und Analyse des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und der Lage des UN gehört die zukunftsorientierte Berichterstattung über die weitere Entwicklung des UN zum inhaltlichen Kern des Lageberichts. Das Gesetz verlangt in § 289 Abs. 1 Satz 4, die voraussichtliche Entwicklung des UN (Prognosebericht) mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken (Chancen- und Risikobericht) zu beurteilen und zu erläutern und dabei auch die zugrunde liegenden Annahmen anzugeben. Mit dieser zukunftsorientierten Berichterstattung soll der Gehalt an entscheidungsnützlichen Informationen im Lagebericht erhöht und den Adressaten ein Soll-Ist-Vergleich ermöglicht werden (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 30).
Rn. 94
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Die in § 289 Abs. 1 Satz 4 kodifizierte Berichtspflicht wurde i. R.d. BilReG eingeführt und galt erstmals für nach dem 31.12.2004 beginnende GJ (vgl. Art. 58 Abs. 3 Satz 1 EGHGB). Mit ihr wurden die Anforderungen an die zukunftsorientierte Berichterstattung deutlich erhöht (vgl. Kajüter, DB 2004, S. 197 (202f.); Kaiser, DB 2005, S. 345ff.; Kaiser, WPg 2005, S. 405ff.; Kirsch/Scheele, WPg 2005, S. 1149ff.; Wolf, DStR 2005, S. 438ff.). So war zuvor zum einen auf die voraussichtliche Entwicklung des UN (vgl. § 289 Abs. 2 Nr. 2 (a. F.)) und zum anderen auf die Risiken der künftigen Entwicklung (vgl. § 289 Abs. 1 (2. Halbsatz) (a. F.)) "einzugehen". Durch das BilReG wurden diese beiden Berichtselemente miteinander verknüpft und sowohl inhaltlich als auch formal aufgewertet. Der höhere Stellenwert des Prognoseberichts zeigt sich darin, dass dieser seitdem nicht mehr in Abs. 2, sondern als Pflichtbestandteil gemäß Abs. 1 verankert ist (vgl. Kajüter, DB 2004, S. 197 (202); Bonner HGB-Komm. (2018), § 289, Rn. 113). Zudem wird nicht mehr nur ein "Eingehen" auf, sondern eine Beurteilung und Erläuterung der voraussichtlichen Entwicklung verlangt, was eine umfangreichere und aussagekräftigere Berichterstattung erfordert (vgl. Kajüter, DB 2004, S. 197 (202); Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 60 i. V. m. § 315 HGB, Rn. 120). Ferner wurde die i. R.d. sog. Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.04.1998 (BGBl. I 1998, S. 786ff.) eingeführte Risikoberichterstattung (vgl. zu § 289 Abs. 1 (a. F.) Küting/Hütten, AG 1997, S. 250ff.; Baetge/Schulze, DB 1998, S. 937ff.; Dörner/Bischof, WPg 1999, S. 445ff.; Lück/Henke, Stbg 1999, S. 524ff.; Kajüter, DB 2001, S. 105ff.; Kajüter, WPg 2001, S. 205ff.; Weber, BB 2001, S. 140ff.; Schulze (2001); Bungartz (2003); Kajüter/Winkler, KoR 2003, S. 217ff.; Kajüter/Winkler, WPg 2004, S. 249ff.; Dobler (2004); Fischer/Vielmeyer, KoR 2004, S. 459ff.; Vielmeyer (2004); zur Entwicklung international Linsley/Shrives/Kajüter (2008), S. 185ff.) inhaltlich um eine Berichterstattung über Chancen erweitert. Damit wurde der nur auf negative Abweichungen abstellende Risikobericht zu einem Chancen- und Risikobericht ausgebaut, in dem sowohl mögliche positive als auch negative Abweichungen von der voraussichtlichen Entwicklung zu erläutern sind (vgl. Kajüter, BB 2004, S. 427ff.; Fink/Kajüter (2021), S. 264ff.). Auch hier ist eine weitergehende Berichterstattung notwendig als zuvor bei einem "Eingehen".
Rn. 95
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Obwohl die Berichterstattung über Chancen und Risiken mit der Prognoseberichterstattung verbunden wurde, ist daraus nicht zu schließen, dass sie nur einen Teilaspekt von dieser darstellt. Vielmehr ist gleichermaßen über die voraussichtliche Entwicklung und die wesentlichen Chancen und Risiken zu berichten (vgl. Kajüter, BB 2004, S. 427 (430); Fink/Kajüter (2021), S. 242; Beck Bil-Komm. (2020), § 289 HGB, Rn. 60 i. V. m. § 315 HGB, Rn. 131). Hierbei müssen die beiden Berichtselemente nicht zwingend einen jeweils in sich geschlossenen Abschnitt im Lagebericht bilden. Ob die Prognose- wie auch Chancen- und Risikoberichterstattung separat in zwei eigenständigen oder gemeinsam in einem integrierten Teilbericht erfolgt, sollte sich danach richten, welche Darstellungsform die voraussichtliche Entwicklung sowie die mit ihr einhergehenden Chancen und Risiken im konkreten Einzelfall klarer zum Ausdruck bringt (vgl. ähnlich DRS 20.117). Auch eine Trennung in drei separate Teilberichte (Prognose, Chancen, Risiken) ist möglich. Nicht sachgerecht ist hingegen die Integration der Chancenberichterstattung in den Prognosebericht i. V. m. einem separaten Risikobericht, da dies zu einer künstlichen Trennung von Chancen- und Risikoberichterstattung führt(e).
1. Prognosebericht: Angaben zur voraussichtlichen Entwicklung (§ 289 Abs. 1 Satz 4)
Rn. 96
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Durch den Prognosebericht sollen sich die Lageberichtsadressaten ein zutreffendes Bild von den Einschätzungen und Erwartungen der UN-Leitung zur weiteren Entwicklung des UN machen können. I.d.S. definiert DRS 20.11 eine Prognose als eine "Aussage über voraussichtliche Entwicklungen und Ereignisse". Die Aussage muss sich auf einen konkreten Prognosegegenstand beziehen und eine...