Rn. 55

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Während die Steuerlatenzkonzepte die zu betrachtenden Differenzen dem Grunde nach definieren, stellt sich hiernach die Frage der konkreten Differenzberechnung. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht werden einerseits durch konkrete Einzelsachverhalte ausgelöst. Andererseits resultiert eine (zukünftig erwartete) Ertragsteuerbelastung aus einer Saldogröße verschiedener Geschäftsvorfälle. Daher wird zur Ermittlung latenter Steuern die Gesamtdifferenzbetrachtung und die Einzeldifferenzenbetrachtung diskutiert. Betrachtungsobjekt des § 274 ist – da diesem das Temporary-Konzept zugrunde liegt – die bilanzielle Ebene.

 

Rn. 56

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Bei der Einzeldifferenzenbetrachtung wird aus jeder relevanten (Bilanz-)Differenz die zukünftig zu erwartende Steuerbe- oder -entlastung ermittelt. Dieses Vorgehen ist detaillierter, da Informationen über die einzelnen Komponenten der Steuerlatenzen zur Verfügung stehen müssen (vgl. Rabeneck/Reichert, DStR 2002, S. 1366 (1367f.)). Dies kann bspw. bei einem unsaldierten Ausweis von Nutzen sein. Nachteil ist der höhere Ermittlungsaufwand (vgl. insgesamt zur Einzeldifferenzenbetrachtung HdJ, Abt. I/18 (2019), Rn. 54).

 

Rn. 57

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Gesamtdifferenzbetrachtung stellt hingegen eine handelsrechtliche Gesamtgröße einer steuerlichen gegenüber. Aus dieser einen Differenz werden die latenten Steuern ermittelt, was technisch vergleichbar einfacher erscheint. Gleichzeitig gehen in diesem Prozess viele Informationen über die Steuerlatenzen wie Auflösungszeitpunkt oder das konkrete Volumen von steuerbe- und -entlastenden Sachverhalten verloren (vgl. insgesamt zur Gesamtdifferenzbetrachtung HdJ, Abt. I/18 (2019), Rn. 53). Auch vor dem Hintergrund der notwendigen Anhangangaben zu latenten Steuern (vgl. HdR-E, HGB § 274, Rn. 230ff.) ist eine Anwendung der Gesamtdifferenzbetrachtung bei der Bilanzierung latenter Steuern gemäß § 274 dem Grunde und der Höhe nach nicht möglich. Der Begriff "Gesamtdifferenzbetrachtung" bezieht sich im HGB-JA daher lediglich auf den Ausweis latenter Steuern (vgl. HdR-E, HGB § 274, Rn. 74).

 

Beispiel:

Einzeldifferenzen- versus Gesamtdifferenzbetrachtung

Eine GmbH bilanziert latente Steuern und wendet hierbei das nach § 274 allein zulässige bilanzorientierte Temporary-Konzept an. Zum BilSt bestehen zwei steuerlatenzrelevante Differenzen:

(1) Grund und Boden: Handelsrechtlicher Wert: 500.000 EUR, steuerrechtlicher Wert: 300.000 EUR. Hierbei handelt es sich um eine zu versteuernde temporäre Differenz i. H. v. 200.000 EUR.
(2) Drohverlustrückstellung: Handelsrechtlicher Wert: 100.000 EUR, steuerrechtlicher Wert: 0 EUR. Hierbei handelt es sich um eine abzugsfähige temporäre Differenz i. H. v. 100.000 EUR.

Die GmbH wendet ihren UN-individuellen Steuersatz von 30 % für die Berechnung der latenten Steuern an.

I.R.d. Einzeldifferenzenbetrachtung würde eine zukünftige erwartete Steuerbelastung i. H. v. (200.000 × 30 % =) 60.000 EUR und eine zukünftig erwartete Steuerentlastung von (100.000 × 30 % =) 30.000 EUR für die Bilanzierung latenter Steuern ermittelt.

Bei Anwendung der Gesamtdifferenzbetrachtung ergäbe sich lediglich eine zukünftig erwartete Steuerbelastung von ((200.000 ./. 100.000) × 30 % =) 30.000 EUR.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?