Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
1. Grundlagen
Rn. 47
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Notwendigkeit zur Bilanzierung eigener Anteile kann nur bei KapG auftreten. Eigene Anteile liegen vor, wenn sich im Eigentum der bilanzierenden AG/SE bzw. KGaA ihre eigenen Aktien oder im Eigentum der bilanzierenden GmbH ihre eigenen Geschäftsanteile befinden. Eigene Aktien ebenso wie Geschäftsanteile haben wirtschaftlich und bilanzanalytisch einen Doppelcharakter (vgl. Küting/Reuter, BB 2008, S. 658ff.; Reuter (2008), S. 95ff., 116 und 171; BilMoG-HB (2009), Kap. XII, S. 293 (305ff.), jeweils m. w. N.; im Übrigen Coenenberg/Haller/Schultze (2024), S. 387ff.): Einerseits kann in dem Erwerb eigener Anteile eine Rückzahlung von Grund- oder Stammkap. gesehen werden, mit der Folge, dass diese auch wirtschaftlich – passend zum passivischen Bilanzausweis nach § 272 Abs. 1a Satz 1f. – als reiner Korrekturposten zum EK zu interpretieren sind (vgl. Wöhe (1997), S. 651). Andererseits können eigene Anteile aber auch echte VG verkörpern, wenn sie z. B.
(1) |
den AN der Gesellschaft als Lohnbestandteil zum Erwerb angeboten werden sollen, oder |
(2) |
dazu dienen, Aktionäre nach § 305 Abs. 2 AktG oder § 320 Abs. 2 AktG im Zuge von UN-Zusammenschlüssen abzufinden. |
Rn. 48
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Das AktG sieht in § 71 vor, dass eigene Aktien nur für ganz spezifische und erschöpfend aufgezählte Zwecke erworben werden dürfen. Gleichzeitig ist der Erwerb eigener Aktien für bestimmte Zwecke nur möglich, wenn zum Zeitpunkt des schuldrechtlichen Vertrags in ausreichendem Maße ausschüttungsfähige EK-Komponenten zur Verfügung stehen (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG). Kontrastierend zum AktG sieht das GmbHG kein grds. Verbot des Erwerbs von eigenen Anteilen vor. Der Erwerb eigener Anteile ist der GmbH allerdings untersagt, wenn die zu erwerbenden Geschäftsanteile noch nicht vollständig eingezahlt worden sind (vgl. § 33 Abs. 1 GmbHG). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften macht den Erwerb der Anteile zwar nicht unwirksam, jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über den (verbotswidrigen) Erwerb nichtig (vgl. § 71 Abs. 4 AktG; § 33 Abs. 2 Satz 3 GmbHG).
Rn. 49
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlagen vollständig geleistet sind, darf die GmbH darüber hinaus nur dann erwerben, sofern sie im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe des gesamten Erwerbspreises bilden könnte, ohne das gezeichnete Kap. oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Gesellschafter verwendet werden darf (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Das bedeutet, dass der Erwerb eigener Geschäftsanteile die Existenz entsprechender Kap.-Rücklagen oder anderer (freier) Gewinnrücklagen voraussetzt.
Rn. 50
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Der Erwerb eigener Anteile ist zu unterscheiden von der in § 21 GmbHG geregelten Kaduzierung (Verfall) sowie der in § 34 GmbHG geregelten Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen. Bei der Kaduzierung kann die Gesellschaft nach verbreiteter Ansicht über das vorübergehend subjektlose Mitgliedschaftsrecht treuhänderisch verfügen. Bei einer Amortisation geht der eingezogene Anteil unter; sie bewirkt eine Trennung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter (vgl. hierzu lediglich Scholz-GmbHG (2022), § 33 GmbHG, Rn. 31, 33).
2. Erwerb eigener Anteile
Rn. 51
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eigene Anteile sind gemäß § 272 Abs. 1a unabhängig vom Erwerbszweck als Korrekturposten zum EK auszuweisen (vgl. hierzu und nachfolgend ausführlich BilMoG-HB (2009), Kap. XII, S. 293 (305ff.)). Dazu ist der Nennbetrag bzw. rechnerische Nennwert der erworbenen Anteile nach § 272 Abs. 1a Satz 1 in einer Vorspalte offen vom gezeichneten Kap. abzusetzen. Ein sich ergebender Unterschiedsbetrag zwischen den AK und dem Nennbetrag bzw. rechnerischen Nennwert der Anteile ist gemäß § 272 Abs. 1a Satz 2 mit den "frei verfügbaren Rücklagen" zu verrechnen.
Übersicht: Berücksichtigung des Erwerbs von eigenen Anteilen gemäß § 272 Abs. 1a
Eine Definition der frei verfügbaren Rücklagen wird im Gesetzestext nicht gegeben. Es stellt sich daher die Frage, was unter "frei verfügbaren Rücklagen" zu verstehen ist bzw. welche in § 266 Abs. 3 A. aufgeführten Positionen zur Verrechnung herangezogen werden dürfen. Die maßgebliche RegB führt hierzu aus: "Mit der Verwendung des Begriffs der ‚frei verfügbaren Rücklagen’ [...] wird der praktischen Handhabung Rechnung getragen. Die bisherige begriffliche Beschränkung auf ‚Gewinnrücklagen’ ist zu eng angelegt. In der Praxis ist es nahezu einhellige Auffassung, dass beispielsweise auch frei verfügbare Kapitalrücklagen [... zu berücksichtigen sind, d.Verf.]. Dies wird nunmehr ausdrücklich gesetzlich verankert" (BR-Drs. 344/08, S. 141). Folglich sind unter "frei verfügbaren Rücklagen" offensichtlich alle Beträge von Kap.-Rücklage und Gewinnrücklagen zu verstehen, die nicht nach gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vorschriften (zweck-)gebunden bzw. entsprechend für eine Ausschüttung gesperrt sind.
Etwaige Anschaffungsnebenkosten sind unmittelbar als Aufwand des ...