Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Boris Hippel
1. Befreiung von den Vorschriften zum Jahresabschluss und Lagebericht
Rn. 54
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
UN, die die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Befreiung gemäß § 264 Abs. 3 (vgl. HdR-E, HGB § 264, Rn. 60ff.) erfüllen, brauchen den Ersten Unterabschnitt (vgl. §§ 264 bis 289f), den Dritten Unterabschnitt (vgl. §§ 316 bis 324a) und den Vierten Unterabschnitt (vgl. §§ 325 bis 329) der ergänzenden Vorschriften für KapG sowie bestimmte PersG des HGB nicht anzuwenden.
Der Erste Unterabschnitt (vgl. §§ 264 bis 289f) enthält die ergänzenden Vorschriften zum JA und Lagebericht der KapG. Von der Beachtung dieser Vorschriften befreite UN brauchen keinen Anhang (vgl. §§ 284 bis 288) und keinen Lagebericht (vgl. § 289) aufzustellen. Ebenso gelten die strengeren Aufstellungsfristen des § 264 Abs. 1 und die Generalnorm des § 264 Abs. 2 nicht. Darüber hinaus brauchen diese UN die detaillierten Gliederungsvorschriften zur Bilanz und GuV (vgl. insbesondere §§ 265f., 275 und 277) sowie die Vorschriften zu einzelnen Bilanz- und GuV-Positionen (vgl. z. B. §§ 268, 270 bis 272, 274 und 277) nicht anzuwenden. Es reicht aus, die für alle Kaufleute geltenden RL-Vorschriften der §§ 242 bis 256a zu beachten. Allerdings sind ggf. rechtsform- (vgl. z. B. § 160 AktG) oder branchenspezifische Sondervorschriften zu berücksichtigen.
Nach dem Wortlaut von § 264 Abs. 3 dürfen KapG auch auf die Ausschüttungssperre gemäß § 268 Abs. 8 verzichten. Ergibt sich die Verpflichtung zur Verlustübernahme aus einem GAV, um die Befreiung gemäß § 264 Abs. 3 in Anspruch nehmen zu können, muss indes die Abführungssperre gemäß § 301 Satz 1 AktG i. V. m. § 268 Abs. 8 beachtet werden. Indes ist § 301 AktG nicht anwendbar, wenn eine freiwillige Verpflichtung zur Verlustübernahme (vgl. HdR-E, HGB § 264, Rn. 66) besteht oder sich die Verpflichtung zur Verlustübernahme aufgrund eines BHV ergibt. Doch auch in diesen Fällen ist die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 zwingend zu beachten, weil es sich hierbei nicht nur um eine RL-Vorschrift, sondern auch um eine gesellschaftsrechtliche Kap.-Erhaltungsvorschrift handelt (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 264 HGB, Rn. 120).
2. Befreiung von der Prüfungspflicht
Rn. 55
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Der Dritte Unterabschnitt (vgl. §§ 316 bis 324a) umfasst die Vorschriften zur JA-Prüfung. Durch § 316 wird festgelegt, dass große und mittelgroße KapG prüfungspflichtig sind. Die Befreiungsregelung des § 264 Abs. 3 führt dazu, dass mittelgroße und große UN ihren JA nicht durch einen AP prüfen lassen müssen. Entsprechend sind auch die Vorschriften zur JA-Prüfung (vgl. §§ 317ff.) nicht anzuwenden.
Auch wenn damit die Pflichtprüfung des JA von mittelgroßen und großen KapG entfällt, bedeutet das nicht, dass diese UN überhaupt nicht durch einen AP zu prüfen sind. I.R.d. Prüfung des KA, in den auch JA von mittelgroßen und großen UN einzubeziehen sind (vgl. HdR-E, HGB § 264, Rn. 71ff.), muss der Konzern-AP alle JA der konsolidierten UN prüfen (vgl. § 317 Abs. 3 Satz 1). Sofern diese bereits durch einen anderen AP geprüft worden sind, hat der Konzern-AP nach § 317 Abs. 3 Satz 2 dessen Arbeit zu überprüfen und diese zu dokumentieren. Allerdings entfällt für das konsolidierte mittelgroße bzw. große UN die Erstellung eines Prüfungsberichts einschließlich der Erteilung eines BV sowie ggf. die Teilnahme des AP an der AR-Sitzung gemäß § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG. Wird der KA nach anderen Vorgaben aufgestellt als der JA des TU, z. B. nach internationalen RL-Vorschriften gemäß § 315e, ist i. R.d. Konzernprüfung außerdem nur die HB II, d. h. der nach den Bilanzierungsvorschriften des MU aufgestellte JA, nicht aber der landesrechtliche Abschluss des TU, sog. HB I, zu prüfen. Insofern verbleiben durch die Inanspruchnahme von § 264 Abs. 3 wesentliche Erleichterungen durch den Wegfall der Prüfungspflicht.
Rn. 56
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Auch wenn das UN die Befreiung von der Prüfungspflicht gemäß § 264 Abs. 3 in Anspruch nimmt, kann dennoch einem AP der Auftrag zu einer freiwilligen Prüfung, z. B. bezüglich der Beachtung der für alle Kaufleute geltenden RL-Vorschriften, erteilt werden. Dies kann erforderlich sein, um Kreditgebern einen testierten Abschluss vorlegen zu können. Der AP hat in diesem Fall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Erleichterungen des § 264 Abs. 3 erfüllt sind (vgl. IDW PH 9.200.1 (2013), Rn. 5).
3. Befreiung von der Offenlegungspflicht
Rn. 57
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Im Vierten Unterabschnitt (vgl. §§ 325 bis 329) ist die Offenlegung des JA und Lageberichts von KapG geregelt. Große KapG haben diese Unterlagen der das UN-Register führenden Stelle elektronisch zur Einstellung in das UN-Register zu übermitteln. Kleine und mittelgroße Gesellschaften haben insbesondere den JA elektronisch zu übermitteln. Die Befreiung von der Anwendung dieser Vorschriften gemäß § 264 Abs. 3 führt dazu, dass die betreffenden UN ihren JA und Lagebericht nicht nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 Satz 2 übermitteln müssen.
Rn. 58
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Regelungen des Ersten Unterabschnitts zum JA und Lagebericht sowie die Vorschriften des Dritten Unterabschnitts über di...