Rn. 22

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Durchführung einer Inventuraufnahme stellt eine erhebliche Belastung für das UN dar. Zum einen wird der Betriebsablauf gestört, was sich in verminderten, potenziellen Einnahmen ausdrückt (Opportunitätskosten), und zum anderen entstehen erhebliche Ausgaben, v.a. Personalkosten. Deswegen wird das UN versuchen, die Inventur in einem möglichst kurzen Zeitraum durchzuführen. Dies führt jedoch zu einem erhöhten Bedarf an Personal und technischen Hilfsmitteln (Gabelstapler, Zählwaagen etc.). Der erhöhte Einsatz von Personal bedingt die Hinzuziehung lagerfremden Personals mit unterschiedlicher Qualifikation. Soweit es nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen (Inventurrichtlinien, Schulung, Einweisung etc.) gelingt, mögliche Qualifikationslücken zu schließen, erhöht sich das Risiko von Zähl- und Aufnahme- bzw. Übertragungsfehlern. Hierin ist auch der Grund zu sehen, weshalb eine vollständige körperliche Aufnahme keineswegs als das "sicherste" Aufnahmeverfahren bezeichnet werden kann.

 

Rn. 23

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Entscheidung zur Anwendung von Inventurvereinfachungsverfahren sollte einzelfallabhängig unter Abwägung aller Vor- und Nachteile erfolgen (vgl. HdR-E, HGB § 241, Rn. 18ff.). Ein bloßer Aufwandsvergleich zweier alternativer Verfahren ist als nicht ausreichend zu bezeichnen. Z. B. "kann eine Stichprobeninventur in einem Teilbereich der Vorräte so ausgeführt werden, dass ihr Ergebnis die annähernd gleiche Genauigkeit zeigt wie eine Vollerhebung. Gleichwohl darf die Entscheidung [...] nicht allein vom Vergleich der Aufwendungen für beide Verfahren abhängen. Man muss wenigstens zusätzlich den Nachteil der Stichprobeninventur berücksichtigen, dass Korrekturen der Buchführung nur bei den Vorratsposten möglich sind, die in die Stichprobe gelangen" (Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 74). Gleichermaßen ist unter Beachtung der GoI etwa i. R.d. Stichprobeninventur der Konflikt zwischen den Zielen der Minimierung der Erhebungskosten bei Maximierung der Schätzgenauigkeit einer Lösung zuzuführen (vgl. Drexl, ZfB 1986, S. 509ff.).

 

Rn. 24

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Ebenfalls zu berücksichtigen ist jedoch die Tatsache, dass "Logistik und Produktion einem dynamischen Prozess unterliegen, bei dem die Bestandszuverlässigkeit eine immer wichtiger werdende Rolle spielt. Unter diesem Blickwinkel unterliegen auch die Inventurverfahren [...] und die zugrundeliegenden GoB einem stetigen (Bedeutungs-)Wandel" (AWV (2010), S. 6). Der mögliche positive Input, den eine Optimierung der in einem UN zur Anwendung kommenden Verfahren i. S.e. durchgängigen Führungskonzeption für die wertorientierte UN-Führung auf operativer Ebene leisten kann (vgl. Matyas/Logar/Schedl, IO-Management 1997, S. 76ff.; Weiss (2000)), ist daher in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen (vgl. auch Strieder/Habel, DB 1996, S. 1836ff.). Neben den sich dynamisch wandelnden Rahmenbedingungen von Produktion und Logistik stellt der Trend zur Verkürzung der Erstellungszeiten für den JA (Fast Close) einen weiteren bedeutenden Faktor in der (Fort-)Entwicklung von Inventurvereinfachungsverfahren dar (vgl. Hüttche, BC 2001, S. 241 (243f.)).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?