Rn. 21
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
§ 30 GmbHG enthält eine allg. Obergrenze für Ausschüttungen jeglicher Art. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG lautet:
"Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden."
(1) Grundgedanke des § 30 GmbHG:
§ 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt unverändert seit 1892. Er soll zusammen mit anderen Bestimmungen des GmbHG (insbesondere §§ 9, 9a Abs. 2, 19, 21 bis 25, 31 bis 33 und 43a GmbHG) sicherstellen, dass die GmbH jeweils mindestens über ein Vermögen in Höhe ihres nominellen – im Handelsregister eingetragenen – Stammkap. verfügt.
Dieses Ziel wird dadurch angestrebt, dass Vermögensauszahlungen im weitesten Sinne – auch verdeckte Vorteilsgewährungen – an Gesellschafter verboten werden, wenn dadurch das zur Erhaltung des Stammkap. notwendige Vermögen geschmälert werden würde. Das Aktienrecht geht in der Vermögensbindung insofern weiter, als dort auch die gesetzliche Rücklage in die Bindung eingeschlossen wird, die das GmbH-Recht nicht kennt. Das AktG bindet Auszahlungen an Aktionäre auch formell an den Bilanzgewinn. Nur dieser darf vor Auflösung der AG/KGaA/SE an die Aktionäre verteilt werden (vgl. § 58 Abs. 4 AktG; im Übrigen HdR-E, AktG §§ 58, 150, Rn. 26). Das GmbH-Recht lässt Vermögensauszahlungen an Gesellschafter auch außerhalb einer förmlichen Gewinnverteilung zu, soweit die Grenzen des § 30 GmbHG und weitere einschränkende Grundsätze beachtet werden (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 104).
In praxi ist das Auszahlungsverbot nach Maßgabe des § 30 GmbHG vornehmlich bei vGA bedeutsam (vgl. Lutter/Hommelhoff (2023), § 30 GmbHG, Rn. 5). Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, S. 2026ff.) wurde § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG eingefügt und EK-ersetzende Gesellschafterdarlehen aus dem Anwendungsbereich des kap.-erhaltenden Auszahlungsverbots herausgenommen (vgl. BeckOK-GmbHG (2023) § 30, Rn. 194).
Eine Verletzung des § 30 GmbHG hat für den begünstigten Gesellschafter und für seine Mitgesellschafter weitreichende Folgen, die in § 31 GmbHG festgelegt sind (Rückzahlungspflicht, Haftung der Mitgesellschafter).
(2) Ermittlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens:
Fraglich ist, wie das zur Erhaltung des Stammkap. erforderliche Vermögen ermittelt wird. Im Anschluss an eine Entscheidung des RG aus dem Jahr 1916 (vgl. RG, Urteil vom 03.10.1916, Rep. 11 238/16, RGZ 88, S. 428ff.) wird in der Literatur nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass es bei der Errechnung des erforderlichen Vermögens auf die Buchwerte ankommt. Die Deckung des Stammkap. ist auf der Grundlage einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung entsprechenden Bilanz zu ermitteln. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für den JA (vgl. BeckOK-GmbHG (2023), § 30, Rn. 9ff.; GmbHG-GroßKomm. (2020), § 30, Rn. 33; Scholz-GmbHG (2022), § 30, Rn. 13f.). Kritisch zur h. M. äußern sich Sonnenhol/Stützle (DB 1979, S. 925 (928)), die die Nichtberücksichtigung der stillen Reserven "keineswegs selbstverständlich" finden.
Der Zweck des § 30 GmbHG spricht für die h. M. Allein die Anwendung der Grundsätze für die laufende Bilanzierung garantiert eine klare, von "Augenblicksnotwendigkeiten" möglichst freie Bewertung, die die Grundsätze der Vorsicht und Bewertungsstetigkeit (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 und 6; dazu auch BeckOK-HGB (2024), § 252, Rn. 16ff. und 23f.) beachten muss und damit eine höchstmögliche Gewähr dafür bietet, dass ein Betrag in Höhe der nominellen Stammkap.-Ziffer im UN verbleibt. Dabei spielt eine Rolle, dass die GmbH nach dem seit 1985 geltenden Recht grds. keine stillen Reserven mehr bilden darf, so dass die Buchwerte jedenfalls tendenziell keine so hohen stillen Reserven enthalten, dass man von einer unangemessenen Ausweitung der Stammkap.-Garantie sprechen kann. Die Interessen der Gesellschafter an Kap.-Auszahlungen müssen hinter dem Interesse der Öffentlichkeit und Gläubiger an einer möglichst sicheren Berechnung für die Erhaltung des Stammkap. zurückstehen. Insofern müssen hier andere Grundsätze als bei der Berechnung der Überschuldung als Insolvenzgrund gelten (vgl. § 19 Abs. 2 InsO).
Die Anwendung der Bewertungsgrundsätze, die für die handelsrechtliche Gewinnermittlungsbilanz gelten, bedeutet in erster Linie, dass die Gesellschafter an die Bewertungsgrundsätze früherer Jahre gebunden sind (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 6). Zuschreibungen sind nur möglich, soweit i. R.e. laufenden JA Zuschreibungen zulässig wären.
Im Übrigen wird zur Auslegung des § 30 GmbHG auf die Kommentierungen zum GmbHG verwiesen, insbesondere auf Lutter/Hommelhoff (2023), § 30 GmbHG, Rn. 10ff., sowie GmbHG-GroßKomm. (2020), § 30, Rn. 1ff.