Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Rn. 17
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Schließt der Vorstand ohne vorherige Zustimmung der HV einen UN-Vertrag ab, so ist dieser bis zur Beschlussfassung gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 5; BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 6, 11).
Rn. 18
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Für den HV-Beschluss gelten die allg. Regelungen über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit nach den §§ 241ff. AktG, soweit die §§ 291ff. keine abweichenden Vorschriften enthalten. Der Zustimmungsbeschluss ist insbesondere anfechtbar, wenn die Informationsrechte der Aktionäre aus den §§ 293f, 293g AktG verletzt worden sind. Fehlt es in dem UN-Vertrag an einer Ausgleichszahlung, begründet dies gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG die Nichtigkeit des Vertrags und damit gemäß § 241 Nr. 3 AktG die Nichtigkeit des HV-Beschlusses. Zu beachten sind außerdem die Anfechtungsausschlüsse der §§ 304 Abs. 3 Satz 2, 305 Abs. 5 Satz 1 AktG: Die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses zu einem BHV oder GAV kann nicht auf § 243 Abs. 2 AktG gestützt werden. Ist in dem BHV oder GAV ein Ausgleich bestimmt, aber unangemessen, so berechtigt das ebenso wenig zur Anfechtung wie das Fehlen oder die Unangemessenheit einer Abfindung nach § 305 AktG; vielmehr ist in diesen Fällen nach den §§ 304 Abs. 3 Satz 3, 305 Abs. 5 Satz 2 AktG das Spruchverfahren eröffnet. Der Anfechtungsausschluss gilt gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG auch für unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der HV über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit des Ausgleichs oder der Abfindung (sog. bewertungsbezogene Informationsmängel; vgl. i. d. S. auch BeckOGK-AktG (2022), § 293, Rn. 29ff.; Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 33). Ein Anfechtungsausschluss gilt indes nur für die Aktionäre des beherrschten UN, weil nur sie durch das Spruchverfahren geschützt werden sollen. Für die Aktionäre des herrschenden UN ist ein Anfechtungsausschluss dagegen irrelevant (umstritten; vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 40f.). Ein Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag sowie der entsprechende HV-Beschluss sind gemäß § 292 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht deshalb nichtig, weil der Vertrag gegen die §§ 57, 58, 60 AktG verstößt; jedoch kann gemäß § 292 Abs. 3 Satz 2 AktG auf einen Verstoß dieser Vorschriften die Anfechtung des Beschlusses gestützt werden.
Rn. 19
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind richtigerweise auch auf fehlerhafte Zustimmungsbeschlüsse anwendbar. Entsprechend der Rspr. des BGH (vgl. so BGH, Urteil vom 14.12.1987, II ZR 170/87, NJW 1988, S. 1326f.) wird hiernach ein Zustimmungsbeschluss grds. so lange als wirksam behandelt, bis sich jemand auf die Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit beruft (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 89f.; zudem HdR-E, AktG § 291, Rn. 50). Mängel des Vertrags werden nicht zwangsläufig durch einen wirksamen Zustimmungsbeschluss geheilt. Dadurch könnten Vertragsbestimmungen Gültigkeit erlangen, die gesetzwidrig sind; das kann aber auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht gewollt sein. Vielmehr muss ein UN-Vertrag mit rechtswidrigem Inhalt auch nach der Unanfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses nach allg. Grundsätzen beurteilt werden. In Betracht kommen insbesondere die privatrechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe der §§ 117, 119, 123, 125, 134, 138 BGB. Ob der Vertrag teilweise oder vollständig ungültig ist, bestimmt sich nach § 139 BGB (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 293, Rn. 94f.; Emmerich/Habersack (2020), § 16, Rn. 12).
Rn. 20
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Wird gegen einen HV-Beschluss über einen UN-Vertrag Klage erhoben, so kann das UN im Freigabeverfahren nach § 246a AktG beantragen, dass die Erhebung der Klage der Eintragung des UN-Vertrags nicht entgegensteht und Mängel des HV-Beschlusses die Eintragung unberührt lassen.