Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
1. Vorbemerkungen
Rn. 45
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Eine Beteiligung wird vermutet, wenn die Anteile an einem anderen UN insgesamt 20 % des Nennkap. dieses UN oder – falls ein solches nicht vorhanden ist – 20 % der Summe aller Kap.-Anteile an diesem UN überschreiten (vgl. § 271 Abs. 1 Satz 3). Gegenüber der ehemaligen Regelung des § 152 Abs. 2 AktG 1965 wurde lediglich die Anteilsquote, bei der von einer Beteiligung auszugehen war, gesenkt (damals: 25 % und mehr). Mit § 271 Abs. 1 Satz 3 wird der (Mindest-)Vorgabe des Art. 2 Nr. 2 Satz 3 der Bilanz-R (zuvor: Art. 17 Satz 2 der 4. EG-R) gerade entsprochen.
Rn. 46
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Vorschriften im Bereich der RL können nicht unabhängig von der historischen Entwicklung beurteilt werden; dies gilt auch für die Beteiligungsdefinition. Aus diesem Grund ist bei der Interpretation der Beteiligungsvermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 vom Beteiligungsbegriff des § 152 Abs. 2 AktG 1965 und von der dort enthaltenen Beteiligungsvermutung auszugehen.
2. Beteiligungsbegriff nach AktG 1965
Rn. 47
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
In dem Beteiligungsposten des § 151 AktG 1965 waren nach damals h. M. gesellschaftsrechtliche Kap.-Anteile an anderen UN dann auszuweisen – und zwar unabhängig von der Höhe des gehaltenen Kap.-Anteils und unabhängig von einer Verbriefung der Anteilsrechte in Wertpapieren, wenn der Bilanzierende neben der Dauerbesitzabsicht auch noch eine Beteiligungsabsicht verfolgte. Letztere musste über die schlichte Absicht einer Kap.-Anlage gegen angemessene Verzinsung hinausgehen. Sie wurde allg. als Absicht einer aktiven Einflussnahme auf das andere UN interpretiert. Nach ADS ((1968), § 152 AktG, Rn. 28) lag (nach AktG 1965) eine Beteiligungsabsicht "immer dann vor, wenn die Gesellschaft bestrebt ist, mit Hilfe der ihr zustehenden Rechte aktiv einen Einfluß auf das Beteiligungsunternehmen auszuüben, um eine mehr oder weniger enge wirtschaftliche Verbindung mit dem Unternehmen herbeizuführen. Aber auch eine weniger weit gesteckte Zielsetzung kann für die Beteiligungsabsicht genügen. Entscheidend ist, daß die Gesellschaft mit der Beteiligung mehr verfolgt, als die Absicht einer Kapitalanlage gegen angemessene Verzinsung".
Rn. 48
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Wird neben der Dauerbesitzabsicht auch eine "Beteiligungsabsicht" für das Vorliegen einer Beteiligung verlangt, so sind nicht alle mit Dauerbesitzabsicht gehaltenen Anteilsrechte unter der Postenbezeichnung "Beteiligungen" zu finden. Allerdings eignet sich die "Beteiligungsabsicht" schon aus sprachlogischen Gründen nicht zur Bestimmung des Beteiligungsbegriffs, unterstellt dieses Zuordnungskriterium doch den zu bestimmenden Sachverhalt der "Beteiligung" bereits als eindeutig bestimmt (vgl. Hofbauer, BB 1976, S. 1343 (1346)). Außerdem ist das auf einer Konvention beruhende Zuordnungskriterium "Beteiligungsabsicht" nicht objektivierbar (vgl. Deppe, WiSt 1976, S. 441 (442f.)).
Rn. 49
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Damit war die Zuordnung der langfristig gehaltenen Anteilspapiere zum Beteiligungsposten (oder zu den "anderen" Wertpapieren des AV) in einem a.o. hohen Maße von der subjektiven Auslegung des Bilanzierenden abhängig. Eine Objektivierung des Beteiligungsbegriffs wurde im Übrigen auch durch § 152 Abs. 2 AktG 1965 nicht erreicht. Da diese Beteiligungsvermutung wie auch die jetzige Vermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 widerlegbar war, entschied auch bei einer Anteilsquote von 25 % und mehr letztlich die Zweckbestimmung der Anteile, also die Beteiligungsabsicht, über die Postenzuordnung innerhalb der Finanzanlagen (vgl. ADS (1968), § 152 AktG, Rn. 29).
3. Interpretation der Beteiligungsvermutung
Rn. 50
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Vermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 lässt sich wie die des § 152 Abs. 2 AktG 1965 vergleichen mit § 261a Abs. 1 A. III. Satz 2 HGB 1931, eingefügt durch die VO des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und Steueramnestie vom 19.09.1931 (RGBl. I 1931, S. 493ff.), der eine i.W. gleichlautende Formulierung enthielt. Allerdings kann diese Vermutung nur im Zusammenhang mit dem Bilanzgliederungsschema des § 261a Abs. 1 A. HGB 1931 gesehen werden. Den Posten I. "Rückständige Einlagen auf das Grundkapital" und II. "Anlagevermögen", der jedoch keine Wertpapierposten enthielt, folgten die Posten III. "Beteiligungen, einschließlich der zur Beteiligung bestimmten Wertpapiere" sowie IV. "Umlaufvermögen", Letztere mit einem Wertpapierposten unter Nr. 4, in der die nicht an anderer Stelle auszuweisenden Wertpapiere (Beteiligungen, eigene Aktien, Schecks) einzugliedern waren.
Rn. 51
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die entsprechend den handelsrechtlichen Vorschriften in Posten III. auszuweisenden "Beteiligungen, einschließlich der zur Beteiligung bestimmten Wertpapiere" zählten nach damals h. M. trotz ihres gesonderten Ausweises zum AV (vgl. Schlegelberger/Quassowski/Schmölder (1932), S. 223; a. A. Trumpler (1937), S. 104f.). Staub/Pinner ((1933), S. 574) bringen dies mit der Feststellung zum Ausdruck, eine Beteiligung sei eine auf die "Dauer berechnete Mitgliedschaft an einem anderen Unternehmen". Damit war f...