Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 84
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Gemäß dem durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2637ff.) neu eingefügten § 311 Abs. 3 AktG bleiben die §§ 111a bis 111c AktG, welche verfahrensrechtliche Vorgaben für Geschäfte börsennotierter AG, KGaA bzw. SE mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions) enthalten, durch § 311 AktG unberührt (rechtspolitisch wird die Neuregelung unterschiedlich bewertet; vgl. Bungert/Berger, DB 2018, S. 2860 (2863); Paschos/Goslar, AG 2008, S. 857 (869); Schmidt, NZG 2018, S. 1201 (1211); Veil, NZG 2017, S. 521 (529); zur Frage, inwiefern die §§ 311ff. AktG künftig überflüssig sind: Mörsdorf/Piroth, ZIP 2018, S. 1469 (1472ff.)). Aus § 111b AktG ergibt sich, dass bei börsennotierten Gesellschaften der Abschluss von Geschäften mit nahestehenden Personen oder UN i. S. v. § 111a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG, sofern die in der Vorschrift genannten Schwellenwerte überschritten sind und kein Ausnahmetatbestand nach § 111a Abs. 2 oder 3 AktG erfüllt ist (vgl. dazu etwa Bungert/Berger, DB 2018, S. 2860 (2861ff.)), der vorherigen Zustimmung des AR oder eines zu diesem Zweck gebildeten Ausschusses i. S. v. § 107 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 AktG bedarf. Die danach zustimmungsbedürftigen Geschäfte sind gemäß § 111c AktG zu veröffentlichen. In der Folge ist (nur) bei unter die §§ 111a bis 111c AktG fallenden Geschäften ein gestreckter Nachteilsausgleich i. S. v. § 311 Abs. 2 AktG nicht möglich (vgl. Henssler/Strohn (2021), § 311 AktG, Rn. 36a; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 52a). Denn der AR kann dem Zustimmungsvorbehalt nur gerecht werden, sofern ihm die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen, um die Angemessenheit des Geschäfts beurteilen zu können. Auch eine Veröffentlich nach § 111c AktG muss diese Informationen enthalten. Aus diesem Grund muss bei derartigen Geschäften ex ante eine verbindliche Vereinbarung über den Nachteilsausgleich mit der abhängigen Gesellschaft geschlossen werden (vgl. Henssler/Strohn (2021), § 311 AktG, Rn. 36a). Damit die §§ 111a bis 111c AktG bei Geschäften mit dem herrschenden UN anwendbar sind, muss die abhängige Gesellschaft börsennotiert sein. Wie sich aus § 111b Abs. 1 AktG i. V. m. § 111a Abs. 3 Nr. 1 AktG ergibt, kommen die Vorschriften im Hinblick auf das herrschende UN nur dann zur Anwendung, sofern (1) dieses börsennotiert ist, (2) die abhängige Gesellschaft nicht börsennotiert ist und (3) eine dem herrschenden UN nahestehende Person an der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist, ohne selbst ein 100 %-iges TU des herrschenden UN zu sein. In allen anderen Fällen ist ein gestreckter Nachteilsausgleich zulässig.