Prof. Dr. Christoph Hütten, Prof. Dr. Peter C. Lorson
Rn. 51
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Besondere Probleme bereitet die Zuordnung von VG zum AV oder UV insbesondere bei UN bestimmter Wirtschaftszweige mit untypischen VG. Das Kennzeichen dieser VG besteht darin, dass sie ihrem Charakter nach weder AV noch UV sind, sondern gleichzeitig Merkmale aus unterschiedlichen Kategorien – zumeist von AV und UV – vorliegen. Die Bilanzierungspraxis beschreitet diesbezüglich den Weg individueller Lösungen bis hin zum Ausweis von Zwischenkategorien, die mit dem Argument der Bilanzklarheit begründet werden, bspw. in folgenden Fällen:
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Vorabraum im Tagebau: "Vorabraum" bezeichnet jene Abraummenge, die entfernt werden muss, bevor in künftigen Perioden Mineralien gefördert werden können. Insoweit handelt es sich um eine Vorleistung. Angesichts des Fehlens einer dauerhaften Nutzungsabsicht kommt weiterhin grds. ein Ausweis im UV in Betracht. Dieser mehrdeutige und für Mineralgewinnungs-UN bedeutsame Posten muss grds. unterscheidbar zu dem "Grubenaufschluss" (auch Bruchaufschluss, Ersteinschnitt), der zum AV zählt, ausgewiesen werden. |
(2) |
Kernbrennelemente: Auch die Zweckbestimmung von nuklearen Brennelementen beinhaltet Merkmale des AV wie des UV. Gegen AV spricht, dass das spaltbare Uran in den Brennelementen i. R.d. Energiegewinnung "verbraucht" wird. Andererseits spricht gegen den Ausweis im UV die mehrjährige Einsatzdauer der Brennelemente im Reaktor. Die Brennelemente bilden quasi einen konstruktiven Bestandteil der nuklearen Dampferzeugungsanlage (vgl. Reinhard, et 1982, S. 657ff., 744 (747)). |
(3) |
Filmverleih: Filmverleiher weisen ihr Filmvermögen in der Praxis häufig unter dem Posten "Vorräte" aus. Andererseits weisen diese VG je nach Dauer der Verfügungsrechte auch Merkmale von AV auf (vgl. zu einer differenzierteren Betrachtung Wriedt/Fischer, DB 1993, S. 1683ff.). |
Nach hier vertretener Ansicht sind in allen genannten Fällen keine Sonderposten zwischen AV und UV zu bilden; vielmehr ist UN-individuell eine Zuordnung nach den allg. Kriterien vorzunehmen (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2020), § 247 HGB, Rn. 350, sowie NWB HGB-Komm. (2022), § 247, Rn. 4, wonach Zwischenausweise kategorisch für unzulässig gehalten werden). Denn: Eine legitimierende gesetzliche Regelung enthält das HGB weder für die Aktiv- noch für die Passivseite der Bilanz. Der Bilanzklarheit kann durch eine entsprechende Bezeichnung der Posten des AV oder UV – ggf. i. V. m. entsprechenden Erläuterungen – Rechnung getragen werden.
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Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Zweifelsfragen der Zurechnung von Leasingobjekten zum AV oder UV treten auch bei Leasinggesellschaften regelmäßig auf. Hat ein solches UN ein Leasingobjekt im Bestand, das voraussichtlich für einen Leasingvertrag bestimmt ist, der zur Aktivierung beim Leasingnehmer führt, hat das Leasing-UN den Gegenstand im UV zu aktivieren. Bleibt die Leasinggesellschaft bei Beginn des Leasingvertrags voraussichtlich wirtschaftlicher Eigentümer, muss das Leasingobjekt im AV aktiviert werden und bleiben.