Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
1. Vorbemerkung
Rn. 37
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
§ 318 Abs. 1 Satz 3 fordert: "Der Abschlußprüfer soll jeweils vor Ablauf des Geschäftsjahrs gewählt werden, auf das sich seine Prüfungstätigkeit erstreckt." Da § 318 Abs. 1 Satz 3 eine Soll-Vorschrift ist, ist eine Wahl des AP auch nach Ablauf des GJ möglich (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 17). Die Wahl des AP ist indes ungültig, sofern ein Gericht zuvor den AP nach Maßgabe des § 318 Abs. 4 bestellt hat (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 27).
Rn. 38
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das in § 318 Abs. 1 Satz 3 verwandte Wort "jeweils" bedeutet, dass ein AP jedes Jahr neu gewählt und immer nur für die Prüfung des Abschlusses eines Jahrs bestellt werden darf (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 54; Baumbach/Hopt (2024), § 318 HGB, Rn. 1a; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 36; MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 18). Folgeaufträge dürfen nach erneuter Wahl allerdings vergeben werden (vgl. Baumbach/Hopt (2024), § 318, Rn. 1a).
Rn. 39
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das prüfungspflichtige UN sollte bestrebt sein, den Prüfungsauftrag möglichst frühzeitig zu erteilen, damit ausreichend Zeit für die Prüfung zur Verfügung steht (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 17; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 32). Zwar gelten für eine GmbH die gleichen Aufstellungsfristen wie für eine AG, KGaA und SE, doch unterscheiden sich die Feststellungsfristen für den JA sowie die Einberufungsfristen für die Gesellschafterversammlung und bei Fehlen eines AR entfällt die für dessen Prüfung benötigte Zeitspanne, so dass der bei einer GmbH für die Prüfung zur Verfügung stehende Zeitraum erheblich länger sein kann als bei einer AG, KGaA und SE (vgl. nachstehende Übersicht).
Übersicht: Aufstellungs- und Feststellungsfristen bei einer AG, KGaA bzw. (dualistisch strukturierten) SE
2. Zeitraum der Wahl bei einer AG, KGaA und SE
Rn. 40
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der dem Prüfer für die Prüfung des JA von AG, KGaA und SE zur Verfügung stehende Zeitraum ist unter Beachtung der im Folgenden beschriebenen gesetzlichen Fristen für
- Aufstellung des JA durch den Vorstand (bzw. bei monistisch strukturierten SE: die geschäftsführenden Direktoren),
- Vorlage des JA beim AP,
- Prüfung des JA durch den AP,
- Vorlage des geprüften JA und Prüfungsberichts des AP beim AR (bzw. bei monistisch strukturierten SE: Verwaltungsrat),
- Prüfung des JA durch den AR/Verwaltungsrat sowie Abfassung des schriftlichen Prüfungsberichts für die HV,
- i. d. R. Feststellung des JA durch Vorstand und AR bzw. Verwaltungsrat,
- Einberufung der HV,
- zugleich Auslegung des i. d. R. festgestellten JA für Aktionäre in den Räumen der Gesellschaft,
- Abhaltung der HV und Vorlage des i. d. R. von Vorstand und AR bzw. Verwaltungsrat festgestellten JA dort,
- Offenlegung des festgestellten JA
recht knapp bemessen. Dies gilt umso mehr, als heute in Publikumsgesellschaften die HV sehr frühzeitig stattfinden.
Rn. 41
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
§ 264 Abs. 1 Satz 3 verpflichtet die gesetzlichen Vertreter einer prüfungspflichtigen KapG, den JA und Lagebericht binnen drei Monaten nach dem Abschlussstichtag aufzustellen. Unverzüglich nach der Aufstellung müssen der JA und Lagebericht dem AP von den gesetzlichen Vertretern zur Prüfung vorgelegt werden (vgl. § 320 Abs. 1 Satz 1). Dem AR einer AG, KGaA und (dualistisch strukturierten SE) muss Gelegenheit gegeben werden, JA, Lagebericht und Bericht des AP zu prüfen (vgl. § 171 Abs. 1 AktG) und über das Ergebnis seiner Prüfung schriftlich an die HV zu berichten (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 1 AktG; gemäß § 47 SEAG gilt § 171 Abs. 1f. AktG im Fall einer monistisch aufgebauten SE entsprechend). Dem (aktienrechtlichen) AR bzw. Verwaltungsrat wird für seinen Bericht eine Frist von max. zwei Monaten eingeräumt (vgl. § 171 Abs. 3 AktG; im Übrigen § 22 Abs. 2 SEAG). I.d.R. stellen Vorstand und AR den JA nach dessen Prüfung durch den AR gemeinsam fest (im monistischen SE-System: allein der Verwaltungsrat). Wird die Aufstellungsfrist für den JA von drei Monaten sowie die Zwei-Monats-Frist vom AR für die Prüfung des Abschlusses in Anspruch genommen, bleiben dem AP lediglich zwei Monate für die Prüfung.
Rn. 42
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die HV ist nach § 123 Abs. 1 AktG mindestens dreißig Tage, also einen Monat, vor dem Tag der Versammlung einzuberufen. Von der Einberufung an muss der
- geprüfte JA,
- Lagebericht,
- Bericht des AR/Verwaltungsrats sowie
- Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns
in den Räumen der Gesellschaft ausgelegt und auf Verlangen den Aktionären in Abschrift zur Verfügung gestellt oder – wie inzwischen üblich – auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden. Dies gilt entsprechend auch bei einem MU für den geprüften KA, Konzernlagebericht und Bericht des AR/Verwaltungsrats (vgl. § 175 Abs. 2 AktG). Die HV muss spätestens im achten Monat nach Ende des GJ abgehalten werden (vgl. § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dabei ist der geprüfte JA vorzulegen, damit die HV den Vorstand bzw. Verwaltungsrat entlasten (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG) und über die Gewinnverwendung entscheiden (vgl. § 174...