Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
1. Allgemeines
Rn. 99
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das Gesetz verlangt ausdrücklich, dass nur in der Person des Prüfers liegende Gründe eine gerichtliche Ersetzung rechtfertigen. Hinsichtlich der personenbezogenen Antragsgründe verweist § 318 Abs. 3 Satz 1 hierbei insbesondere auf die Ausschlussgründe nach § 319 Abs. 2 bis 5 (vgl. hierzu HdR-E, HGB § 319, Rn. 25ff.) sowie nach 319b. § 319 Abs. 2 formuliert als Grundregel, dass WP oder vBP als AP ausgeschlossen sind, wenn Gründe, insbesondere Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art, vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht. Diese Grundregel wird in § 319 Abs. 3f. durch die Aufzählung verschiedener Fallgestaltungen, bei deren Vorliegen unwiderlegbar die Besorgnis der Befangenheit vermutet wird, konkretisiert (vgl. Petersen/Zwirner, WPg 2009, S. 769 (770)). § 319 Abs. 4 erweitert diese Anforderungen auf WPG bzw. BPG und Abs. 5 stellt klar, dass die in § 319 genannten Ausschlussgründe auch auf den AP des KA anzuwenden sind. § 319b erweitert die Ausschlussgründe des § 319 auf die Mitglieder eines Netzwerks des AP. Demnach ist ein AP grds. von der Durchführung einer gesetzlichen AP ausgeschlossen, wenn die in § 319 genannten Ausschlussgründe nicht bei ihm selbst, aber bei einem Mitglied seines Netzwerks vorliegen (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 4). Die in § 319 Abs. 2 bis 4 genannten Ausschlussgründe sind nicht abschließend, sondern als gesetzlich normierte und beispielhafte Tatbestände zu verstehen. Der in § 318 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 verwandte Begriff "insbesondere" verdeutlicht, dass auch neben den in den §§ 319 Abs. 2 bis 5 und 319b genannten Ausschlussgründen weitere in der Person des gewählten AP liegende Gründe ein Ersetzungsverfahren rechtfertigen können (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 85). Bei PIE kann der AP zudem ersetzt werden, wenn die Vorschriften des Bestellungsverfahrens (vgl. Art. 16 der AP-VO) oder zur Laufzeit (vgl. Art. 17 der AP-VO) nicht eingehalten worden sind (vgl. § 318 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2).
2. Besorgnis der Befangenheit
Rn. 100
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der in § 318 Abs. 3 Satz 1 verwandte Begriff der Besorgnis der Befangenheit findet sich ebenfalls in § 49 WPO. Er wird zudem in der BS WP/vBP konkretisiert. In § 29 Abs. 3 Satz 1 BS WP/vBP heißt es: "Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn Umstände im Sinne von Abs. 2 Satz 2 gegeben sind, die aus Sicht eines verständigen Dritten geeignet sind, die Urteilsbildung unsachgemäß zu beeinflussen." Aus dem Verweis auf § 29 Abs. 2 Satz 2 BS WP/vBP ergibt sich, dass die Unbefangenheit v.a. durch Eigeninteressen, eine Selbstprüfung, eine Interessenvertretung, eine persönliche Vertrautheit sowie durch Einschüchterung beeinträchtigt sein kann (vgl. §§ 32ff. BS WP/vBP für Konkretisierungen bzw. Beispiele zu den genannten Faktoren). Der AP muss seine Tätigkeit nach § 49 WPO versagen, wenn ein unabhängiger Dritter bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Unbefangenheit des AP haben könnte. Dabei kommt es also nicht darauf an, ob der Prüfer sich subjektiv für befangen hält, sondern darauf, ob die Besorgnis der Befangenheit bei anderen zu Recht besteht. Die Besorgnis der Befangenheit ist daher nicht auf die in § 319 Abs. 2 bis 5 und § 319b genannten Tatbestände beschränkt.
Rn. 101
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Sachverhalte, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen, sind nur dann gewichtig, sofern Dritte Zweifel an der ordnungsmäßigen Durchführung der AP haben können. Die Besorgnis der Befangenheit ist – wie sich aus der Konkretisierung der BS WP/vBP ergibt – v.a. dann gegeben, wenn der AP ein persönliches Interesse am Ergebnis der Prüfung hat (vgl. auch MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn. 85).
Rn. 102–103
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
vorläufig frei
3. Sonstige Antragsgründe
a) Überblick
Rn. 104
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Neben den in den §§ 319 Abs. 2 bis Abs. 5 und 319b genannten Ausschlussgründen können weitere Gründe die nachträgliche Abberufung eines AP rechtfertigen, und zwar:
(1) |
Gefahr einer mangelnden Qualifikation des Prüfers, |
(2) |
Gefahr einer mangelnden personellen und sachlichen Ausstattung des Prüfers, |
(3) |
anhängige oder abgeschlossene berufsrechtliche Verfahren gegen den Prüfer, |
(4) |
fehlende Billigung von erbrachten, nicht verbotenen Nichtprüfungsleistungen, sowie |
(5) |
ein Verstoß gegen die Regelungen des Art. 16 der AP-VO zur Bestellung des AP bei PIE und des Art. 17 der AP-VO zur Laufzeit des Prüfungsmandats bei PIE. |
Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten zwischen Gesellschaftsorganen und AP sind i. d. R. kein akzeptabler Grund, den Prüfungsauftrag zu widerrufen (vgl. Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 86).
b) Gefahr mangelnder Qualifikation des Prüfers
Rn. 105
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Wird der Antrag mit einer "mangelnden Qualifikation" einer bestimmten Person begründet, ist der Richter kaum in der Lage, diese Begründung zu akzeptieren, da die betreffende Person zum WP oder vBP bestellt worden ist, und zwar aufgrund einer strengen Berufszulassungsprüfung. Generell muss WP und vBP daher unterstellt werden, dass sie die Fähigkeit besitzen, Pflichtprüfungen durchzuführen (vgl. Staub...