Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
1. Erteilung des Prüfungsauftrags
Rn. 53
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das zuständige Organ der prüfungspflichtigen Gesellschaft muss dem AP unverzüglich nach dessen Wahl den Prüfungsauftrag erteilen (vgl. § 318 Abs. 1 Satz 4). Zuständig für die Auftragserteilung sind grds. die gesetzlichen Vertreter, sofern nicht dem AR dieses Recht zugewiesen ist. Bei einer AG, KGaA und dualistisch strukturierten SE liegt die Kompetenz für die Erteilung des Prüfungsauftrags gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG beim AR (bzw. bei einer monistisch strukturierten SE beim Verwaltungsrat (vgl. § 22 Satz 3 SEAG)). Dies gilt auch für eine GmbH, sofern bei dieser ein AR eingerichtet ist (vgl. § 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Bei der Auftragserteilung vertritt der AR ausnahmsweise die Gesellschaft nach außen, was ansonsten dem Vorstand obliegt (vgl. § 78 Abs. 1 AktG). Ausdrückliche Regelungen dazu, ob bei der Vertretung durch den AR von einer Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht der AR-Mitglieder auszugehen ist, finden sich im Aktienrecht nicht. In der Praxis ist eine Vertretung der Gesellschaft durch alle AR-Mitglieder zwar der rechtlich sichere Weg (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 112, Rn. 15ff., zur Vertretungsmacht des Gesamt-AR beim Abschluss von Verträgen mit Vorstandsmitgliedern), aber aus Praktikabilitätsgründen kaum realisierbar. Daher sollte der AR über die Erteilung des Prüfungsauftrags einen Beschluss gemäß § 108 Abs. 1 AktG fassen und zugleich einem AR-Mitglied oder mehreren AR-Mitgliedern gemeinschaftlich eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Abgabe der entsprechenden Erklärung gegenüber dem gewählten AP erteilen (vgl. auch Hüffer-AktG (2024), § 112, Rn. 19f.). Da der Gesetzgeber die Aufgabe der Erteilung des Prüfungsauftrags ausdrücklich dem AR zugewiesen hat und damit eine bessere Anbindung des AP an den AR erreichen wollte, darf der AR diese Aufgabe nicht auf Personen, die nicht dem AR angehören, übertragen. Auch bei einer Bevollmächtigung einzelner AR-Mitglieder ist zu beachten, dass die Willensbildung grds. dem AR bzw. einem eingerichteten und mit dieser Aufgabe betrauten Ausschuss vorbehalten bleiben muss und nur eine Vertretung im Hinblick auf die Abgabe der Erklärung zulässig ist. Aus Praktikabilitätserwägungen werden im Schrifttum von diesem Grundsatz Ausnahmen zugelassen. Zu diesen Ausnahmen soll auch die "Honorarvereinbarung üblichen Inhalts mit dem Abschlussprüfer" (Hüffer-AktG (2024), § 112, Rn. 20) gehören. Aufgrund der großen Bedeutung der Honorarvereinbarung für die Qualität der AP dürfte diese Aufgabe zumindest dann, wenn ein AP erstmals beauftragt wird oder sich der Umfang der Prüfung wesentlich ändert, dem Gesamt-AR bzw. einem eingerichteten Ausschuss vorbehalten bleiben. Insgesamt empfiehlt es sich, dass der AR die Erteilung des Prüfungsauftrags einschließlich der notwendigen Honorarverhandlungen an den Prüfungsausschuss delegiert.
Rn. 54
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die gesetzlichen Vertreter sind verpflichtet, den Prüfungsauftrag "unverzüglich" zu erteilen. Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" i. S. d. § 121 BGB. Wird der Prüfungsauftrag nicht unverzüglich erteilt, machen sich die gesetzlichen Vertreter schadensersatzpflichtig (vgl. §§ 116, 93 AktG; § 43 GmbHG; fernerhin BeckOGK-HGB (2024), § 318, Rn. 100). Die diesbezüglich zudem zuvor noch bestandene Möglichkeit der Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 335 Satz 1 Nr. 3 (a. F.) ist durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, S. 2553ff.) aufgrund der äußerst geringen praktischen Bedeutung entfallen (vgl. BT-Drs. 16/960, S. 50). Wurde auf der HV einer AG, KGaA bzw. SE Widerspruch gegen die Wahl des AP nach § 318 Abs. 3 eingelegt bzw. eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage erhoben, sollte der Vorstand (bzw. Verwaltungsrat) mit der Erteilung des Prüfungsauftrags bis zur gerichtlichen Klärung warten oder den Prüfungsauftrag nur unter der Bedingung erteilen, dass dem Antrag der widersprechenden Aktionäre vor Gericht nicht stattgegeben wird (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 185). Für eine GmbH gilt Gleiches mit der Maßgabe, dass der Geschäftsführer die Erteilung des Prüfungsauftrags verweigern kann bzw. den Prüfungsauftrag nur unter Vorbehalt erteilt, wenn begründete Anzeichen dafür vorliegen, dass einer der Gesellschafter einen Antrag auf Ersetzung des AP bei Gericht stellen will.
2. Annahme des Prüfungsauftrags
Rn. 55
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der Prüfungsauftrag wird durch die Annahme des gewählten AP rechtswirksam (vgl. schon MünchKomm. AktG (1973), § 163 AktG, Rn. 18; Baumbach/Hopt (2024), § 318 HGB, Rn. 2). Die Annahme des Prüfungsauftrags durch den gewählten AP ist formlos möglich, sollte aber aus Nachweisgründen in Form einer schriftlichen Auftragsbestätigung erfolgen (vgl. ISA [DE] 210 (2020), Rn. D.8.1). Vor Annahme des Prüfungsauftrags hat sich der gewählte AP zu vergewissern, dass seine Wahl und Beauftragung ordnungsgemäß erfolgt sind (vgl. ISA [DE] 210 (2020), Rn. 10). Der AP ist zur Annahme ...