Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
1. Überblick
Rn. 195
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Nicht wenige in der Praxis vorzufindende Formen der UN-Finanzierung sind im Grenzbereich zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung angesiedelt. Diese Finanzierungsformen firmieren unter dem Oberbegriff Mezzaninekap. Die dem UN zur Verfügung gestellten Mittel werden verschiedentlich als "Quasi-EK", als "EK-Surrogate" oder als "EK-Verstärkungen" bezeichnet. Die bedeutendsten Erscheinungsformen sind Gesellschafterdarlehen (mit und ohne Rangrücktritt), Genussrechtskap. sowie Einlagen stiller Gesellschafter.
Rn. 196
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Aufgrund ihres ambivalenten Charakters lassen sich diese Finanzierungsformen nicht unmittelbar in die gesetzliche Bilanzgliederungssystematik des HGB einordnen, die eine klare Trennung zwischen EK und FK vorsieht (vgl. §§ 247 Abs. 1, 266 Abs. 3). Grund für die Zuordnungsschwierigkeiten sind die bei diesen Kap.-Überlassungen nebeneinander bestehenden EK- und FK-Merkmale. Einerseits begründen sie Zahlungsansprüche der Kap.-Geber, andererseits nehmen sie unter bestimmten Voraussetzungen an Verlusten des UN teil. Ihre Einordnung in das gesetzliche Gliederungsschema erfordert daher eine wertende Entscheidung, welche Merkmale für den wirtschaftlichen Charakter der Finanzierungsformen prägend sind. Sie kann aufgrund der teilweise sehr flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten nur mit Blick auf die im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen der Parteien erfolgen.
Rn. 197
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Ausgangspunkt für die Festlegung des Ausweisorts müssen die aus dem gesetzlichen Gliederungsschema sowie den allg. GoB abzuleitenden Unterscheidungsmerkmale von eigenen und fremden Mitteln sein (vgl. Schweitzer/Volpert, BB 1994, S. 821 (824)). Werden die EK-ähnlichen Mittel auf der Grundlage dieser Kriterien dem EK oder FK zugeordnet, schließt sich die Frage an, ob der Ausweis unter einer der im gesetzlichen Mindestgliederungsschema vorgesehenen Posten erfolgen sollte oder ob ein neuer Posten einzufügen ist. Letzteres kommt gemäß § 265 Abs. 5 nur in Betracht, wenn der abzubildende Sachverhalt von einem vorgeschriebenen Posten nicht gedeckt wird und der JA ohne Einfügung eines neuen Postens ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der VFE-Lage nicht vermitteln könnte (vgl. HdR-E, HGB § 265, Rn. 74ff.). Die Erweiterung des Gliederungsschemas um einen neuen Posten liegt bspw. bei Genussrechtskap. nahe, das die Voraussetzung für eine Einstufung als EK (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 233f.) erfüllt. Demgegenüber sollten stille Einlagen von Gesellschaftern mit EK-Charakter als andere Zuzahlungen in das EK in der Kap.-Rücklage erfasst werden (vgl. so auch Beck Bil-Komm. (2022), § 247 HGB, Rn. 218).
Rn. 198
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Verschiedentlich wird unter Hinweis auf § 265 Abs. 5 für bestimmte EK-ähnliche Mittel der Ansatz eines Sonderpostens zwischen EK und FK gefordert (vgl. z. B. ADS (1997), § 266, Rn. 189; Schmidt, in: FS Goerdeler (1987), S. 487 (503); a. A. Beck-HdR, B 231 (2011), Rn. 15). Dem ist nicht zu folgen, da diese Lösung die vom Gesetzgeber angeordnete klare Trennung von bilanziellem EK und FK verwischt (vgl. Hense (1990), S. 271).
Rn. 199
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Bestehen Zweifel, ob die zu passivierenden Finanzierungsmittel die an einen Ausweis als EK zu stellenden Voraussetzungen (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 202ff.) erfüllen, sind sie unter den Schulden zu zeigen (vgl. so auch Beck Bil-Komm. (2022), § 247 HGB, Rn. 135; Haufe HGB-Komm. (2023), § 272, Rn. 227). Nach der Generalnorm des § 264 Abs. 2 kann in diesem Fall eine Erläuterung des besonderen Charakters der Mittel im Anhang geboten sein.
Rn. 200
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Nicht Gegenstand der nachfolgenden Erläuterungen sind sog. strukturierte Finanzinstrumente, die sowohl EK- als auch FK-Komponenten enthalten. Paradebeispiel sind Options- oder Wandelschuldverschreibungen. Für sie sieht § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB eine Trennung der Finanzierungskomponenten und ihre gesonderte Erfassung vor (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 74ff.). Entsprechendes gilt für andere strukturierte Produkte mit EK- und FK-Anteil.
Eine andere Erscheinungsform strukturierter Finanzierungen stellen Verbindlichkeiten mit eingebetteten Derivaten dar, die besondere Regelungen hinsichtlich der Verzinsung, Laufzeit und/oder Rückzahlung des Instruments begründen (z. B. Aktienanleihen; vgl. hierzu Bertsch, KoR 2003, S. 550; Rau, DStR 2006, S. 627 (628)). Sie werfen die Frage auf, ob das originäre Instrument zusammen mit dem (den) eingebetteten Derivat(en) als einheitliches Bilanzierungsobjekt zu behandeln ist oder ob die einzelnen Komponenten jeweils gesondert nach den einschlägigen GoB zu beurteilen sind. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn das (die) eingebettete(n) Derivat(e) wesentlich erhöhte oder andersartige Chancen und Risiken der Vertragspartner begründet (begründen) (vgl. IDW RS HFA 22 (2015), Rn. 7ff.). Da eben jener Aspekt die Abgrenzung von Schulden und ggf. VG betrifft, bedarf er an dieser Stelle keiner weitergehenden Erörter...