Prof. Dr. Peter Oser, Dipl.-Ök. Jochen Holzwarth
Rn. 782
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Nach § 285 Nr. 29 ist im Anhang anzugeben, "auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist". § 285 Nr. 29 ist mit dem BilMoG – im Übrigen ohne entsprechendes Pendant in der Bilanz-R – in das HGB eingeführt worden. Die Angabepflicht besteht für große KapG und PersG i. S. v. § 264a, dem PublG unterliegende UN (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3–5, 5 Abs. 2 PublG), Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (vgl. § 340a Abs. 1) sowie Versicherungs-UN (vgl. § 341a Abs. 1). Kleinste, kleine und mittelgroße KapG und PersG i. S. v. § 264a sind von der Angabepflicht befreit (vgl. §§ 288 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, 267a Abs. 2; zur Bilanzierungspraxis börsennotierter UN sowie zu entsprechenden Reformvorschlägen Spengel/Evers/Meier, DB 2015, S. 7ff.). Eine entsprechende Angabepflicht besteht für den Konzernanhang § 314 Abs. 1 Nr. 21.
Rn. 783
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die Angabepflicht nach Nr. 29 besteht nur, wenn die berichtspflichtige Gesellschaft zur Bilanzierung von latenten Steuern verpflichtet ist. Bei körperschaft- und gewerbesteuerlicher Organschaft ist das Einkommen und der Gewerbeertrag der Organgesellschaft dem Organträger als Steuersubjekt und Steuerschuldner zuzurechnen; die Organgesellschaft gilt für Zwecke der Besteuerung als unselbständige Betriebsabteilung des Organträgers (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Bei Existenz einer Organschaft sind künftige Steuerbe- oder -entlastungen aus temporären Differenzen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von VG, Schulden oder RAP und den korrespondierenden steuerlichen Wertansätzen der Organgesellschaft im JA des Organträgers als Steuersubjekt zu berücksichtigen, soweit sich die temporären Differenzen voraussichtlich innerhalb der Organschaft umkehren werden (sog. "rechtliche Betrachtungsweise"; vgl. auch DRS 18.32). Mithin besteht für Organgesellschaften während der Organschaft grds. keine Angabepflicht nach Nr. 29.
Rn. 784
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
DRS 18.35 eröffnet für die Organgesellschaft ein Bilanzierungswahlrecht: Soweit die steuerliche Be- oder Entlastung durch bestehende Steuerumlageverträge in voller Höhe auf die Organgesellschaft umgelegt wird, darf die Organgesellschaft latente Steuern für ihre temporären Differenzen (nicht aber für vororganschaftliche steuerliche Verlustvorträge) bilanzieren (vgl. zu latenten Steuern bei Steuerumlageverträgen etwa Schindler, BFuP 2011, S. 329ff.). Die Inanspruchnahme dieses Wahlrechts sollte im Anhang der Organgesellschaft erläutert werden; solchenfalls hat die Organgesellschaft die Angabepflichten nach § 285 Nr. 29 in ihrem JA zu erfüllen.
Rn. 785
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Für temporäre Differenzen, die sich voraussichtlich erst nach Beendigung der Organschaft umkehren, hat die Organgesellschaft insoweit latente Steuern für temporäre Differenzen sowie steuerliche Verlustvorträge zu bilden und die entsprechenden Angabepflichten zu erfüllen (vgl. dies verkennend Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 830).
Rn. 786
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die Angabepflicht besteht unabhängig davon, ob vom Aktivierungswahlrecht gemäß § 274 Abs. 1 Satz 2 (bei Existenz eines Aktivüberhangs latenter Steuern) oder von der Möglichkeit der Verrechnung gemäß § 274 Abs. 1 Satz 3 (Brutto- oder Nettoausweis) Gebrauch gemacht wird (vgl. auch DRS 18.64; Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 831; Bonner HGB-Komm. (2020), § 285, Rn. 415; HB-BilMoG (2010), Kap. 2/10/2, S. 621 (642f.); a. A. NWB HGB-Komm. (2021), § 285, Rn. 187). Allerdings müssen bei einem Aktivsaldo latenter Steuern, der nicht aktiviert wird, latente Steuern nur für den Saldierungsbereich angegeben werden (vgl. hierzu auch das Beispiel unter HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 789).
Rn. 787
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Es ist darzustellen, auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen. Eine rein verbale Erläuterung ist als Minimum zur Erfüllung der Angabepflicht regelmäßig ausreichend (vgl. auch DRS 18.65; Beck Bil-Komm. (2020), § 285 HGB, Rn. 833; a. A. wohl HB-BilMoG (2010), Kap. 2/10/2, S. 621 (642f.), Meeh-Bunse/Friedl, IRZ 2012, S. 397 (402); daran ändert auch § 285 Nr. 30 nichts (vgl. HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 795). Dennoch empfiehlt sich sowohl eine Quantifizierung der Differenzen als auch eine Überleitung auf die Buchwerte der Bilanzposten.
Rn. 788
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Unklar ist, ob im Fall einer Quantifizierung die temporären und quasi-permanenten Differenzen als Beträge vor Multiplikation mit dem Steuersatz oder die aus der Multiplikation mit dem Steuersatz resultierenden latenten Steuern anzugeben sind. Eine Angabe der Beträge der Differenzen selbst ist zulässig, aber nicht zwingend; es ist ausreichend, die aus den Differenzen resultierenden latenten Steuern anzugeben, da zusammen mit der Angabe des Steuersatzes eine Rückrechnung auf die absolute Höhe der Differenzen möglich ist. Eine Pflicht...