A. Überblick
I. Gegenstand der Regelung
Rn. 1
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Vorschrift regelt die RL für die Abwicklung einer GmbH außerhalb eines Insolvenzverfahrens (vgl. Hachenburg (1997), § 71 GmbHG, Rn. 1).
Sie gilt ebenso für diejenigen Fälle, in denen eine GmbH aufgelöst wird
Rn. 2
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Regelung entspricht – soweit § 71 Abs. 1 bis 3 GmbHG betroffen sind – in ihrem Kern wörtlich der entsprechend gefassten Vorschrift des Aktienrechts (vgl. § 270 AktG), so dass auch in diesem Bereich gleiche Regeln für eine AG/KGaA/SE und GmbH gelten. Infolge des sog. Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, S. 2026ff.) wurden Abs. 4 und 5 entsprechend (materiell) geändert. Sodann wurde Abs. 3 durch das sog. Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) vom 17.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2586ff.) modifiziert. Zuletzt erfuhr Abs. 4 durch das sog. Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3256ff.) eine redaktionelle Anpassung.
II. Rechtslage
Rn. 3
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Infolge des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl. I 1985, S. 2355) wurden die Vorschriften über die RL in der Liquidation neu gefasst. Nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GmbHG sind auf die "Eröffnungsbilanz und den erläuternden Bericht [...] die Vorschriften über den Jahresabschluß entsprechend anzuwenden". Damit wird – kontrastierend zur Rechtslage vor dem BiRiLiG – für die Eröffnungsbilanz keine vollständige Neubewertung sämtlicher VG und Verbindlichkeiten gefordert; es wird vielmehr an die Buchwerte der Schlussbilanz angeknüpft, die die werbende Tätigkeit abschließt. Diese Schlussbilanz der werbenden Tätigkeit ist wiederum auf den Tag aufzustellen, der der Liquidationseröffnungsbilanz vorausgeht (vgl. Rowedder-GmbHG (2022), § 71, Rn. 4).
Rn. 4
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Diese Kontinuität gilt jedoch nicht ohne Ausnahme und nicht uneingeschränkt. In § 71 Abs. 2 Satz 3 GmbHG ist bestimmt, dass VG des AV wie UV zu bewerten sind, "soweit ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraums beabsichtigt ist oder diese Vermögensgegenstände nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen". Treffen diese Voraussetzungen zu, müssen VG des AV nach dem strengen NWP (vgl. § 253 Abs. 4) bewertet werden. Sie sind also höchstens mit dem Börsen- oder Marktpreis am Stichtag der Liquidationseröffnungsbilanz oder mit dem ihnen an diesem Stichtag beizulegenden Wert anzusetzen. Dieser Wert wird häufig deutlich niedriger sein als der Buchwert, mit dem der VG im Rahmen des AV bewertet worden war.
Rn. 5
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Neben dieser gesetzlich bestimmten Ausnahme gibt es weitere Ausnahmen vom Grundsatz der Kontinuität, die sich aus den veränderten Umständen ergeben, die der Liquidationsbeschluss auslöst. Der Umfang dieser weiteren Ausnahmen hängt davon ab, wie die durch § 71 Abs. 2 Satz 2 GmbHG geforderte "entsprechende" Anwendung der Vorschriften über den JA auszulegen ist. Die h. M. nimmt eine Auslegung i. e. S. vor. Sie geht davon aus, dass sich aus der Formulierung "entsprechend" keine inhaltlichen Einschränkungen für die Gestaltung der Liquidations-RL ableiten lassen und ein Abweichen von den Vorschriften des HGB grds. nur aufgrund gesonderter gesetzlicher Regelungen möglich sei (vgl. Förschle/Deubert, DStR 1996, S. 1743 (1744); Hachenburg (1997), § 71 GmbHG, Rn. 23; im Einzelnen auch Scherrer/Heni, WPg 1996, S. 681 (682); Scholz-GmbHG (2020), § 71, Rn. 22f.).
Diese Auffassung ist indes weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Gesetzeszweck zu entnehmen, noch berücksichtigt sie in hinreichendem Maße die Besonderheiten des Liquidationsverfahrens (vgl. hierzu auch Jurowsky, DStR 1997, S. 1782 (1785f.)). Das Liquidationsverfahren bezweckt die Herbeiführung der vollständigen Beendigung der Gesellschaft sowie die Auskehrung des Restkap. in Form des Liquidationsüberschusses an die Gesellschafter. Damit einher geht das Interesse der Gesellschafter, die Höhe des Liquidationsüberschusses zu erfahren, welcher durch die "Versilberung" des vorhandenen Restvermögens...