Dr. Peter Küting, Dr. Peter Lauer
A. Verordnungsermächtigung für Formblätter und andere Vorschriften
I. Bedeutung der Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Gliederungsvorschriften des HGB für den JA von KapG gemäß den §§ 266 und 275 enthalten in erster Linie Posten, die sich auf die Geschäftstätigkeit von Industrie- und Handels-UN beziehen. Für andere Geschäftszweige sind diese Vorschriften oftmals nicht geeignet, um gemäß § 264 Abs. 2 Satz 1 ein den "tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage [...] zu vermitteln" (vgl. auch MünchKomm. BilR (2013/II), § 330 HGB, Rn. 1; überdies BeckOGK-HGB (2021), § 330, Rn. 2). Selbiges gilt laut § 297 Abs. 2 Satz 2 (auch) für den KA. Insbesondere müssen die Gliederungsvorschriften für UN der Kredit- und Versicherungsbranche an die Spezifika ihres Geschäftszweigs angepasst werden. Das Gesetz sieht jedoch keine branchenspezifischen Differenzierungen der normierten Gliederungsschemata für UN außerhalb des Industrie- und Handelssektors vor; ebenso wenig sind derartige Vorgaben in den ergänzenden Vorschriften der §§ 340ff. bzw. 341ff. für Kredit-, Finanzdienstleistungs-, Wertpapier-, Zahlungs- und E-Geld-Institute bzw. Versicherungen und Pensionsfonds, die ihrerseits in erster Linie die Bewertung fokussieren, enthalten. Lediglich § 265 Abs. 5 sieht eine Abwandlung der Bilanz oder GuV hinsichtlich einer weiteren Untergliederung bzw. durch das Hinzufügen von (neuen) Posten und Zwischensummen vor (vgl. HdR-E, HGB § 265, Rn. 65ff.).
Rn. 2
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Basierend auf Art. 80 Abs. 1 GG ermächtigt die Vorschrift des § 330 Abs. 1 Satz 1 aus diesem Grund das BMJ (zuvor: BMJV), im Einvernehmen mit dem BMF und BMWK (vormals: BMWi) durch Rechts-VO sog. Formblätter und andere Vorschriften zu erlassen, die einerseits abweichende Vorschriften zur Gliederung des JA oder KA und andererseits zum Inhalt des (Konzern-)Anhangs und (Konzern-)Lageberichts regeln. Darüber hinaus erlaubt Abs. 1 Satz 4 dem Ministerium, ein Abweichen von der Kontoform zu ermöglichen.
Rn. 3
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die VO-Ermächtigung des § 330 Abs. 1 gilt zunächst für KapG; durch den Verweis des § 336 Abs. 3 auf die oben genannte Vorschrift findet sie indes auch entsprechend Anwendung auf eG.
Rn. 4
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Abs. 1 entspricht i.W. der – derweil gegenstandslosen – Ermächtigung des § 161 Abs. 1 AktG 1965. Ferner wurden mit der Einführung des § 330 Abs. 1 (neben dem Gesetz für die Gliederung des JA vom 11.12.1935) folgende Ermächtigungen obsolet: § 42a GmbHG, § 33g GenG, § 55 VAG, § 24 HypothekenbankG, § 22 SchiffsbankG.
Rn. 5
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die ursprüngliche Fassung des § 330 wurde durch das Bankbilanzrichtlinien-Gesetz (BankBiRiLiG) vom 30.11.1990 (BGBl. I 1990, S. 2570ff.) um Abs. 2 ergänzt und erweiterte damit den Wirkungskreis der VO-Ermächtigung auf Kreditinstitute, unabhängig von ihrer Rechtsform. Durch das sog. Begleitgesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997 (BGBl. I 1997, S. 2567ff.) war bzw. ist besagter Abs. 2 gleichermaßen (auch) auf Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1a KWG anzuwenden. Zudem wurde im Zuge des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG) vom 25.06.2009 (BGBl. I 2009, S. 1506ff.) eine Erweiterung des Anwendungsbereichs um sog. Zahlungsinstitute erwirkt (vgl. BT-Drs. 16/11613, S. 24, 60; BT-Drs. 18/11495, S. 75). Schließlich wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten vom 12.05.2021 (BGBl. I 2021, S. 990ff.) die VO-Ermächtigung (explizit) auch auf solche UN erstreckt, die (nunmehr) als sog. Wertpapierinstitute i. S. d. § 2 Abs. 1 WpIG bereits zuvor als Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1a KWG (a. F.) zur Anwendung der infolge des § 330 erlassenen VO über die RL der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) verpflichtet waren (vgl. BT-Drs. 19/26929, S. 169).
Rn. 6
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Abs. 3 und Abs. 4 wurden i. R.d. Versicherungsbilanzrichtlinien-Gesetzes (VersRiLiG) vom 24.06.1994 (BGBl. I 1994, S. 1377ff.) erstmalig hinzugefügt. Nach Abs. 3 gilt die Ermächtigungs-VO demnach auch für Versicherungs-UN mit Sitz im Inland, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform und Größe. Für kleinere Versicherungs-UN gewährt Abs. 4 Erleichterungen hinsichtlich Formvorschriften, Angabepflichten und Offenlegungserfordernissen. Abs. 5 wurde mit dem sog. Altersvermögensgesetz (AVmG) vom 26.06.2001 (BGBl. I 2001, S. 1310ff.) aufgenommen.
Rn. 6a
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die Erweiterung durch das Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) im Jahre 2006 (BGBl. I 2006, S. 2553ff.) betraf keinen bestimmten Geschäftszweig, sondern vielmehr den potenziellen Gegenstand einer entsprechenden VO. So kann eine Rechts-VO nach Abs. 1 Satz 4 nun auch Abweichungen von der gemäß § 266 Abs. 1 Satz 1 vorgeschriebenen Kontoform gestatten, unabhängig von den Erfordernissen eines spezifischen G...