Tz. 27
Eine weitere umfassende Reform des europäischen Rechnungslegungsrechts im Jahre 2013 setzt an zwei Stellen an: dem materiellen Bilanzrecht und dem Abschlussprüfungsrecht. Während es im materiellen Bilanzrecht vor allem um eine Konsolidierung der bestehenden Harmonisierungsmaßnahmen sowie um eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse kleiner und mittelgroßer Unternehmen ging, stand im Bereich der Abschlussprüfung eine Qualitätsverbesserung der Prüfung im Mittelpunkt.
1. Bilanzrecht
Tz. 28
Mit der Bilanzrichtlinie von 2013 wurde der existierende Rechtsrahmen für die Rechnungslegung erneut überarbeitet. Stärker als früher orientiert sich die Kommission dabei an den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie an dem Prinzip einer Beschränkung auf Mindestharmonisierung. Die bis dahin geltende Trennung des Regelungsrahmens für die Rechnungslegung einzelner Unternehmen einerseits und im Konzern andererseits wurde beseitigt, indem beide Richtlinien im Wege der Zusammenführung der Vierten und der Siebenten Richtlinie durch eine einzige neue Richtlinie ersetzt wurden. Dadurch soll zugleich die Vergleichbarkeit der Jahres- und Konzernabschlüsse von Kapitalgesellschaften und bestimmten Personenhandelsgesellschaften in der EU verbessert werden.
Tz. 29
Kapitel |
Regelungsgegenstand |
1 |
Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen und Rechtsformen von Unternehmen und Gruppen |
2 |
Allgemeine Bestimmungen und Grundsätze |
3 |
Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung |
4 |
Anhang |
5 |
Lagebericht |
6 |
Konsolidierte Abschlüsse und Berichte |
7 |
Offenlegung |
8 |
Abschlussprüfung |
9 |
Vorschriften über Befreiungen und Einschränkungen der Befreiungen |
10 |
Bericht über Zahlungen an Regierungen |
11 |
Schlussbestimmungen |
Struktur der Bilanzrichtlinie 2013
Tz. 30
Die Bilanzrichtlinie 2013 verfolgt auch das Ziel, die bürokratische Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen zu verringern. Insbesondere hat sich die EU-Kommission gegen die Freigabe der IFRS for SMEs für den befreienden Einzelabschluss kleiner und mittlerer Unternehmen ausgesprochen. Begründet wird dies mit der Überlegung, dass die Pflichtanwendung der IFRS for SMEs mit erheblichen Mehrkosten und Mehrbelastungen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen verbunden sei.
Tz. 31
Inhaltlich bringt die Bilanzrichtlinie 2013 keine grundlegenden Änderungen. Sie hebt die Schwellenwerte der Größenklassen bilanzierungspflichtiger Kapitalgesellschaften für Einzel- und konsolidierte Abschlüsse um Beträge zwischen 3,9 und 24 % an (vgl. Tz. 63, 64, Übersichten). Die Mitgliedstaaten können damit beispielsweise die Größenklasse kleiner Unternehmen nur noch einheitlich festlegen, bisherige Unterschiede im Binnenmarkt werden so beseitigt. Andererseits werden Spannen definiert, die den Mitgliedstaaten Wahlrechte innerhalb der Spanne eröffnen, was dem Ziel der Harmonisierung entgegenwirkt. Die Richtlinie lässt die von Deutschland bereits früher durchgehend ausgenutzten Höchstbeträge der Schwellenwerte weiter zu und eröffnet die Möglichkeit, die Schwellenwerte für kleine Unternehmen weiter zu erhöhen. Demgegenüber werden die Schwellenwerte für große Unternehmen und große Konzerne nur leicht erhöht.
Tz. 32
Die grundlegenden Rechnungslegungsprinzipien werden in Art. 4–6 der Bilanzrichtlinie 2013 neu gefasst. Art. 4 Abs. 3 stellt klar, dass das True-and-Fair-View-Gebot in erster Linie über die Anhangangaben zu gewährleisten ist. In Art. 6 der Richtlinie werden weitere Grundsätze, die dem europäischen Bilanzrecht bereits vertraut sind, aufgeführt (etwa die Grundsätze der Unternehmensfortführung, der Stetigkeit, der Vorsicht, der Periodenabgrenzung, der Bilanzidentität und der Einzelbewertung sowie das Verbot der Verrechnung). Aufgewertet wird der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Substance over Form) für die Bilanz und die Gewinn und Verlustrechnung. Er wird von einem Mitgliedstaatenwahlrechte in ein Gebot überführt, von dem die Mitgliedstaaten allerdings bestimmte Unternehmen befreien können (Art. 6 Abs. 3). Danach ist für die Bilanzierung nicht das zivilrechtliche, sondern das wirtschaftliche Eigentum maßgeblich. Eine weitere Neuerung stellt die ausdrückliche Verankerung des Wesentlichkeitsgrundsatzes dar, der sich grundsätzlich auf sämtliche Bereiche der Rechnungslegung (Ansatz, Bewertung, Konsolidierung, Darstellung und Offenlegung) beziehen soll. Allerdings ist auch hier ein Mitgliedstaatenwahlrecht vorgesehen (Art. 6 Abs. 4).
Tz. 33
Im Kontext der Bewertung werden in Art. 7 und 8 der Bilanzrichtlinie 2013 zum Zwecke der Verbesserung der Transparenz die erfolgsneutrale Neubewertung und die erfolgswirksame Bewertung zum (höheren) beizulegen Zeitwert gesondert behandelt. Nach Art. 8 ist die erfolgswirksame Bewertung zum beizulegen Zeitwert bei Finanzinstrumenten und bestimmten Arten von Vermögensgegenständen, die keine Finanzinstrumente sind, zulässig, was allerdings bereits nach der Vierten Richtlinie vorgesehen war. Abweichend von der vierten Richtlinie sind Rückstellungen nac...