Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 218
§ 268 Abs. 8 HGB regelt Ausschüttungssperren in Höhe der Beträge, in denen selbstgeschaffene Immaterialgüter gem. § 248 Abs. 2 HGB aktiviert worden sind (§ 268 Abs. 8 Satz 1 HGB). Eine derartige Ausschüttungssperre gibt es auch für den Überhang aktiver Steuerlatenzen (§ 268 Abs. 8 Satz 2 HGB). Ebenfalls darf in der Höhe nicht ausgeschüttet werden, in der ein Wertansatz von für das Planvermögen gem. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB verwendeten Vermögensgegenständen deren Anschaffungskosten übersteigt.
Tz. 219
Gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der Aktivierung selbstgeschaffener Immaterialgüter des Anlagevermögens. Gem. § 255 Abs. 2a HGB dürfen nur die Entwicklungskosten angesetzt werden; Forschungskosten sind unbeachtlich (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). Eine Aktivierung in Höhe der gesamten Entwicklungskosten ist mithin zulässig. Wegen der Unsicherheit selbstgeschaffener Immaterialgüter besteht eine Ausschüttungssperre in Höhe des angesetzten Werts gem. § 268 Abs. 8 Satz 1 HGB. Erworbene Immaterialgüter sind hingegen in Höhe der Anschaffungskosten zu aktivieren und auch nicht von § 268 Abs. 8 HGB betroffen. Sie haben den Markttest bestanden. Bei Umwandlungsvorgängen ist zu differenzieren: Für selbstgeschaffene Immaterialgüter des übernehmenden Rechtsträgers bleibt es bei den besagten Prinzipien zu § 248 Abs. 2 und § 268 Abs. 8 Satz 1 HGB. Für selbstgeschaffene Immaterialgüter des übertragenden Rechtsträgers bietet § 24 UmwG ein Wahlrecht zur Buchwertfortführung oder Neubewertung an. Bei Neubewertung gilt § 248 HGB nicht und das Immaterialgut kann aktiviert werden.
Tz. 220
Der Wortlaut zur Ausschüttungssperre für selbstgeschaffene Immaterialgüter ist missverständlich. Folgt man diesem, besteht eine Ausschüttungssperre in Höhe des selbstgeschaffenen Immaterialgutes abzüglich der passiven latenten Steuern. Würde man diesem Wortlaut folgen, käme es zu einer übermäßigen Ausschüttung, wenn die passiven latenten Steuern mit aktiven latenten Steuern verrechnet werden können.
BEISPIEL
Es existiert ein Überhang an aktiven latenten Steuern in Höhe von 150, sodass in dieser Höhe von 150 Gewinnrücklagen gegen Ausschüttungen gesperrt sind. Wird nun ein Immaterialgut aktiviert für 100, erhöhen sich die Gewinnrücklagen um 70 auf 220 und die 30 an passiven latenten Steuern werden mit den aktiven latenten Steuern verrechnet, sodass ein Überhang von 120 verbleibt. Folgt man dem Wortlaut von § 268 Abs. 8 Satz 2 und Satz 1 HGB, sind die 120 an Überhang aktiver latenter Steuern gesperrt und 70 vom selbstgeschaffenen Immaterialgut. Das ergibt 190, sodass plötzlich 30 zur Gewinnausschüttung freiwerden. Das ist exakt der Betrag der passiven latenten Steuern.
Die Vorschrift will aber lediglich vermeiden, dass durch den Ausweis passiver latenter Steuern für selbstgeschaffene Immaterialgüter eine übermäßige Ausschüttungssperre entsteht. Das richtige Verständnis der Vorschrift lautet daher: In Höhe des selbstgeschaffenen Immaterialgutes abzüglich der passiven latenten Steuern besteht eine Ausschüttungssperre, solange die passiven latenten Steuern für diesen Betrag noch nicht mit aktiven latenten Steuern verrechnet worden sind. Nach einer Verrechnung besteht in voller Höhe des selbstgeschaffenen Immaterialgutes eine Ausschüttungssperre.
Tz. 221
Gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB können aktive latente Steuern in der Bilanz angesetzt werden. Dieses Wahlrecht bezieht sich aber trotz missverständlichen Wortlauts allein auf den Ansatz des Überhangs aktiver latenter Steuern über passive latente Steuern. Entscheidet sich das Unternehmen zum Ausweis des Überhangs aktiver latenter Steuern, steht dem eine Ausschüttungssperre gem. § 268 Abs. 8 Satz 2 HGB entgegen. Werden aktive und passive latente Steuern getrennt ausgewiesen, ist der Überhang aus einer (gedachten) Verrechnung der aktiven und passiven latenten Steuern gesperrt.
Tz. 222
Gem. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB sind Vermögensgegenstände, die dem Gläubigerzugriff entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Altersverpflichtungen und ähnlichen langfristigen Verbindlichkeiten dienen, zwingend mit diesen Schulden zu verrechnen. § 246 Abs. 2 Satz 3 HGB ordnet einen Zeitwertansatz an und verlangt bei einem aktiven Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung dessen Aktivierung (überschießende Zeitwertspitze). § 268 Abs. 8 Satz 3 HGB erklärt jedoch nicht pauschal die entstandene überschießende Zeitwertspitze für ausschüttungsgesperrt. Vielmehr besagt die Vorschrift, dass sich die Ausschüttungssperre auf Vermögensgegenstände des Planvermögens bezieht und dabei den Betrag erfasst, der nach Abzug passiver latenter Steuern die Anschaffungskosten übersteigt. Diese Regelung ist unverständlich mit Blick auf ihr Verhältnis zu § 246 Abs. 2 Sätze 2, 3 HGB, sie ist unverständlich mit Blick auf die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale und unverständlich mit Blick auf die gesamte Konzeption.
Tz. 223
Bereits der Begriff "Vermögensgegenstände" kan...