Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 100
Vorräte sind Vermögensgegenstände, die zum Verbrauch, zur Verarbeitung oder zur Weiterveräußerung angeschafft worden sind. Dabei muss es sich um Elemente des betrieblichen Leistungsprozesses handeln. Die gesetzlich vorgegebene Untergliederung bereitet Schwierigkeiten, wenn ein Unternehmen Produkte verschiedener Fertigungsstufen veräußert. Soweit es möglich ist, sollte aufgeteilt werden; in Ausnahmefällen kann der Posten zusammengefasst ausgewiesen werden (vgl. § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB).
Tz. 101
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe grenzen sich von unfertigen oder fertigen Erzeugnissen durch fehlende Bearbeitung bzw. Verarbeitung ab und von Waren dadurch, dass sie vor einer Verarbeitung erst noch verarbeitet oder bearbeitet werden müssen. Rohstoffe sind alle Stoffe, die verarbeitet werden und den Hauptbestandteil des Produktes bilden. Dabei kann es sich sowohl um Urprodukte als auch bereits fertige Teilkomponenten für das Endprodukt (typisch in der Automobilindustrie) handeln. Auch Überkapazitäten als Reserve oder Ersatz für die zu fertigenden Produkte sind darunter zu fassen. Hilfsstoffe fließen genauso in das Produkt ein, sind aber nur von untergeordneter Bedeutung (z. B. Schrauben, Nägel, Elektrodraht etc.). Verpackungsmaterial gehört dazu, wenn es dazu dient, das Produkt verkaufsfähig zu machen (Verpackung von Milch). Betriebsstoffe sind all die Stoffe, die nicht unmittelbar einen festen Bestandteil des späteren Produkts bilden, jedoch bei dessen Herstellung verbraucht werden. Unklar ist die Einordnung von Verpackungsmaterial, das allein dem Produkttransport dient. Nach Herstellung des Produktes darf derartiges Verpackungsmaterial gem. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB als Vertriebskosten nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden. Das lässt den Schluss zu, dass mit Erwerb zu diesem Zweck sofort ein Aufwand vorläge. Bis zum Zeitpunkt des Produktvertriebs kann derartiges Verpackungsmaterial ggf. auch anderweitig veräußert werden, sodass bis dahin somit Betriebsstoffe auszuweisen sind.
Tz. 102
Unfertige Erzeugnisse sind Bestände, die bereits be- oder verarbeitet worden sind, jedoch vor ihrer Veräußerung noch einer weiteren Be- oder Verarbeitung bedürfen. Die Aktivierung unfertiger Erzeugnisse bzw. unfertiger Leistungen kompensiert den Nichtausweis schwebender Geschäfte. Andernfalls müssten jegliche Material- oder Gemeinkosten als Aufwand gebucht werden. Weil ein bestimmter Aufwand neutralisiert und nicht eine künftige Forderung bereits vorweggenommen wird, liegt die Annahme einer Bilanzierungshilfe näher als die Annahme einer künftigen Forderung. Der BFH sieht das anders und lässt deshalb auch die Abschreibung zu.
Tz. 103
Insbesondere Produkte, die dem Lagerungsprozess unterliegen (Wein, Käse) sind hier auszuweisen. Ebenso gehören unfertige Bauten auf eigenen oder fremden Grundstücken dazu. Bei Abfallprodukten ist zu differenzieren: Sind sie in der Produktion angefallen und müssen noch weiter ver- bzw. bearbeitet werden, handelt es sich um unfertige Erzeugnisse. Sollen sie sofort weiterveräußert werden, sind es fertige Erzeugnisse. Eine Besonderheit besteht hingegen bei einem Entsorgungsunternehmen, das Abfälle gegen Entgelt bearbeitet und entsorgt und diese außerdem im bearbeiteten Zustand weiterveräußern kann (z. B. Schlacke). Hier liegt entweder ein Rohstoff oder ein fertiges Erzeugnis vor. Auch bei zur Veräußerung bestimmter EDV-Software, bei Patenten oder bei Filmen in Auftragsproduktion kann es sich um unfertige Erzeugnisse handeln.
Tz. 104
Noch nicht vollständig erbrachte Dienste – unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung des Vertrags als Dienstvertrag oder Werkvertrag – sind als unfertige Leistungen auszuweisen. Erst wenn das bilanzierende Unternehmen einen Zahlungsanspruch erworben hat, sind Vergütungsansprüche unter Forderungen auszuweisen. Rechnet eine Rechtsanwalts- und Steuerberatungs-GmbH nach Stunden ab, muss eine unfertige Leistung ausgewiesen werden, wenn für Beratungsleistungen zum Jahresende noch keine vom Mandanten akzeptierte Teil- oder Schlussrechnung vorgelegt worden ist. Ist zu erwarten, dass über die Summe noch verhandelt wird, muss entsprechend vorsichtig angesetzt werden.
Tz. 105
Fertige Erzeugnisse und Waren sind Vorräte, bei denen der Produktionsprozess beendet ist und die nun veräußert werden können. Waren wurden eingekauft, sind aber (ohne Einbeziehung in den Produktionsprozess) noch nicht weiterveräußert worden. Der Ausweis einer Forderung kommt aber aus mehreren Gründen noch nicht in Betracht: Entweder ist noch kein Vertrag über den Verkauf der Ware zustande gekommen, die Ware wurde noch nicht ausgeliefert oder das Werk wurde noch nicht abgenommen. Entgegen missverständlichen Äußerungen in der Literatur sind fertige Leistungen auch unter diesem Punkt auszuweisen, auch wenn nur fertige Erzeugnisse erwähnt sind. Sieht man das anders, würde die Bedeutung der Abnahme gem. § 640 ...