Tz. 84
Als Reaktion auf diverse Bilanzskandale hat der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Abgabe einer Versicherung der gesetzlichen Vertreter zur Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung implementiert. Diese ergibt sich für den Lagebericht aus § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB, für den JA aus § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB. Damit soll – ähnlich wie mit dem Sarbanes-Oxley-Act in den USA – vor allem das Vertrauen der Kapitalmärkte in die Finanzberichterstattung börsennotierter Unternehmen durch transparentere Prozesse, wirksamere Kontrollen und schärfere Sanktionierungen verbessert werden. Entsprechend soll die Versicherung sicherstellen, dass die Verantwortlichen die Verhältnisse des Unternehmens im Finanzbericht korrekt darstellen. Die Versicherung der gesetzlichen Vertreter gem. § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB wird teilweise unter dem Begriff des Bilanzeids subsummiert, teilweise wird aber auch der treffendere Begriff des Lageberichtseids verwendet. Da der Lagebericht ein eigenständiges Informationsinstrument darstellt, erscheint der Begriff "Lageberichtseid" sachgerecht.
Tz. 85
Der Abgabepflicht für die Versicherung der gesetzlichen Vertreter unterliegen nur die gesetzlichen Vertreter einer KapGes, die Inlandsemittentin i. S. d. § 2 Abs. 7 WpHG ist, d. h. deren Herkunftsstaat die Bundesrepublik Deutschland oder ein anderer EU-/EWR-Mitgliedstaat ist und deren Wertpapiere nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Die Abgabepflicht gilt nicht für die gesetzlichen Vertreter einer KapGes i. S. d. § 327a HGB (Gesellschaften, die keine Aktien, sondern nur Schuldtitel ausgegeben haben). Als gesetzliche Vertreter von KapGes gelten regelmäßig der Vorstand einer AG, Vorstandsmitglieder bzw. geschäftsführende Direktoren einer SE, persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA oder Geschäftsführer einer GmbH. Hierzu zählt nicht, wer per Rechtsgeschäft oder Satzung vertretungsberechtigt ist, z. B. Aufsichtsratsmitglieder, Generalbevollmächtigte oder Prokuristen.
Tz. 86
Der Lageberichtseid fordert von den gesetzlichen Vertretern gem. § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB eine Versicherung, "dass nach bestem Wissen im Lagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, und dass die wesentlichen Chancen und Risiken […] beschrieben sind." Entsprechend dieser Formulierung bezieht sich der Lageberichtseid explizit auf den Wirtschaftsbericht sowie die Chancen-/Risikoberichterstattung. Die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens wird indes nicht eigens adressiert.
Die Versicherung fußt auf der allgemeinen Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 AktG). Dabei steht sie unter einem Wissensvorbehalt, d. h. dass lediglich vorsätzliches Handeln Rechtsfolgen nach sich zieht, Fahrlässigkeit bleibt dagegen ohne rechtliche Folgen. Dazu ist es unerlässlich, dass sich die gesetzlichen Vertreter aktiv um ein möglichst umfassendes Wissen bzgl. der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung bemühen.
Tz. 87
Trotz der Formulierung der Regelungen zur Versicherung der gesetzlichen Vertreter in § 289 Abs. 1 HGB ist die Erklärung kein Bestandteil des Lageberichts. Sie stellt ein separates Berichtsinstrument dar, weshalb sie auch nicht der Prüfungspflicht nach § 317 Abs. 2 HGB unterliegt. Die Erklärung hat schriftlich zu erfolgen und ist von den gesetzlichen Vertretern zu unterzeichnen. Dabei ist es auch möglich, die Versicherungen zum JA und zum Lagebericht zusammenzufassen. Das DRSC hat in DRS 20.K234 f. folgende Musterformulierungen für die Versicherungen auf Konzernebene erarbeitet:
"Wir versichern nach bestem Wissen, dass im Konzernlagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage des Konzerns so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, sowie die wesentlichen Chancen und Risiken der voraussichtlichen Entwicklung des Konzerns beschrieben sind."
"Wir versichern nach bestem Wissen, dass gemäß den anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätzen der Konzernabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns vermittelt und im Konzernlagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage des Konzerns so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, sowie die wesentlichen Chancen und Risiken der voraussichtlichen Entwicklung des Konzerns beschrieben sind."