Dr. Mathias Link, Mag. Klemens Eiter
Tz. 81
Das befreiende Mutterunternehmen muss seinen Sitz im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR (= Island, Liechtenstein, Norwegen) haben. "Sitz" meint dabei Verwaltungssitz, nicht bloßer Satzungssitz.
Tz. 82
Zwischen dem befreienden Mutterunternehmen und dem nachgeordneten (zu befreienden) Mutterunternehmen muss ein Mutter-Tochter-Verhältnis bestehen. Dieses Verhältnis kann unmittelbar oder mittelbar gegeben sein. Das befreiende Mutterunternehmen muss nicht zwingend an der Konzernspitze stehen. Bei Sitz des befreienden Mutterunternehmens im Inland müssen dazu die Voraussetzungen gem. § 290 HGB oder des § 11 PublG (wonach eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung nicht zwingend erforderlich ist) vorliegen, also das befreiende Mutterunternehmen grundsätzlich zur Einbeziehung des nachgeordneten Mutterunternehmens verpflichtet sein. Eine (freiwillige) Einbeziehung anhand rein wirtschaftlicher Kriterien, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt (z. B. in einen Spartenabschluss) reicht demgegenüber nicht aus. Wird ein Unternehmen in einen gem. § 315a HGB nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellten Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einbezogen, obwohl in Bezug auf dieses Unternehmen eine Konsolidierung gem. § 290 HGB nicht in Betracht gekommen wäre, soll nach Auffassung des IDW eine Befreiung – trotz Fehlens eines formal bestehenden Mutter-Tochter-Verhältnisses – gleichwohl möglich sein. Bei Sitz des befreienden Mutterunternehmens im EU/EWR-Ausland müssen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung nach jeweils anwendbarem nationalen Recht erfüllt sein, die u. U. von § 290 HGB abweichen können. Besteht nach anwendbarem Recht ein Mutter-Tochter-Verhältnis zu mehreren Unternehmen, reicht die Einbeziehung in den Konzernabschluss eines einzelnen Mutterunternehmens zur Befreiung nach § 291 HGB aus. Bei Gemeinschaftsunternehmen ist eine Befreiungswirkung – bei Anwendbarkeit deutschen Rechts – nur denkbar, wenn es zu einer Vollkonsolidierung und nicht (lediglich) zu einer Quotenkonsolidierung gem. § 310 HGB kommt (vgl. Tz. 14). Die Anwendbarkeit der Norm auf Gleichordnungskonzerne ist umstritten. Da inländische Gleichordnungskonzerne nicht unter § 290 HGB fallen, kann nach zutreffender h. M. die freiwillige Aufstellung eines Gleichordnungskonzernabschlusses keine Befreiungswirkung nach § 291 HGB entfalten. Eine Befreiungswirkung ausländischer Gleichordnungskonzernabschlüsse erscheint denkbar, soweit diese nach anwendbarem Recht aufzustellen sind, wird von der h. M. jedoch abgelehnt.
Tz. 83
Nach der leicht missverständlich formulierten Norm des § 291 Abs. 1 Satz 2 HGB soll es auf die Rechtsform des befreienden Mutterunternehmens oder auf seine Größe nicht ankommen. Entscheidend ist vielmehr, dass es die Unternehmenseigenschaft nach handelsrechtlichen Maßstäben besitzt. Damit können z. B. die folgenden inländischen Rechtsträger befreiende Mutterunternehmen sein:
- Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften (auch wenn sie die Größenkriterien des § 11 PublG nicht erfüllen oder nach § 293 HGB von der Aufstellungspflicht befreit sind)
- BGB-Gesellschaften, die Unternehmensqualität besitzen
- Körperschaften des öffentlichen Rechts/Unternehmen der öffentlichen Hand, die Unternehmensqualität besitzen
Keine tauglichen Mutterunternehmen sind demgegenüber:
- Privatpersonen
- Bund, Länder und Gemeinden (soweit sie im hoheitlichen Bereich agieren)
Der Begriff des befreienden Mutterunternehmens i. S. d. § 291 Abs. 1 HGB ist somit weiter als der des Mutterunternehmens i. S. d. § 290 HGB. Da z. B. die größenabhängigen Befreiungen i.S. d. § 293 HGB keine Rolle spielen, kann die Befreiungswirkung auch aufgrund eines freiwillig aufgestellten Konzernabschlusses (sofern die Voraussetzungen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses gegeben sind, vgl. Tz. 82) erreicht werden.