Dr. Mathias Link, Mag. Klemens Eiter
Tz. 161
§ 296 Verzicht auf die Einbeziehung
(1) Ein Tochterunternehmen braucht in den Konzernabschluß nicht einbezogen zu werden, wenn
- erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung dieses Unternehmens nachhaltig beeinträchtigen,
- die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind oder
- die Anteile des Tochterunternehmens ausschließlich zum Zwecke ihrer Weiterveräußerung gehalten werden.
(2) Ein Tochterunternehmen braucht in den Konzernabschluß nicht einbezogen zu werden, wenn es für die Verpflichtung, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln, von untergeordneter Bedeutung ist. Entsprechen mehrere Tochterunternehmen der Voraussetzung des Satzes 1, so sind diese Unternehmen in den Konzernabschluß einzubeziehen, wenn sie zusammen nicht von untergeordneter Bedeutung sind.
(3) Die Anwendung der Absätze 1 und 2 ist im Konzernanhang zu begründen.
1. Einleitung
a) Überblick
Tz. 162
Die Norm durchbricht den in § 294 Abs. 1 HGB formulierten Grundsatz der Vollständigkeit des Konsolidierungskreises (Weltabschlussprinzip), indem sie für die folgenden vier Fallgruppen Konsolidierungswahlrechte vorsieht: (i) wenn erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung dieses Unternehmens nachhaltig beeinflussen (Abs. 1 Nr. 1); (ii) wenn die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind (Abs. 1 Nr. 2); (iii) wenn die Anteile des Tochterunternehmens ausschließlich zum Zwecke ihrer Weiterveräußerung gehalten werden (Abs. 1 Nr. 3); (iv) wenn das Tochterunternehmen für die Verpflichtung, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln, von untergeordneter Bedeutung ist (Abs. 2). Die Nichteinbeziehung eines Tochterunternehmens in den Konzernabschluss aufgrund einer (oder mehrerer) der genannten Kriterien ist im Konzernanhang zu begründen (Abs. 3).
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 163
§ 296 HGB wurde durch das BiRiLiG 1985 mit Wirkung vom 1.1.1990 in das HGB eingefügt und geht im Wesentlichen auf die 7. EG-RL vom 13.06.1983 (Konzern-Bilanz-RL) zurück. Die Norm wurde durch das BilMoG 2009 nicht angetastet. Da der Konsolidierungskreis nach § 290 HGB durch das BilMoG 2009 tendenziell erweitert wurde, hat die Bedeutung der Befreiungstatbestände in der Praxis zugenommen. Durch das BilRUG wurde in Abs. 1 Nr. 2 die Formulierung "unverhältnismäßig hohe Verzögerungen" durch "unangemessene Verzögerungen" (in Anlehnung an die geänderte Terminologie in Richtlinie 2013/34/EU) ersetzt. Materielle Änderungen sind damit nicht verbunden.
c) Geltungsbereich
aa) Sachlicher Geltungsbereich
Tz. 164
Das Befreiungswahlrecht gilt grundsätzlich für sämtliche Mutterunternehmen i. S. d. § 290 HGB (vgl. Tz. 7), deren (in- oder ausländische) Tochterunternehmen die die in § 296 HGB genannten Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Einbeziehung in den Konzernabschluss erfüllen.
bb) Zeitlicher Geltungsbereich
Tz. 165
Die Befreiungstatbestände gelten seit dem 1. 1. 1990. Allerdings haben sich seither Konsolidierungsregime und damit der Umfang des Konsolidierungskreises, für den die Ausnahmen des § 296 HGB in Betracht kommen, durch das BilMoG 2009 geändert (vgl. Tz. 6).
d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven
Tz. 166
Die Norm sollte, den Bedürfnissen der Praxis entsprechend, einerseits eine übermäßige Belastung der deutschen Wirtschaft mit Rechnungslegungspflichten vermeiden und andererseits dazu verhelfen, ein möglichst genaues Bild der wirtschaftlichen Einheit Konzern zu vermitteln. Die Details waren und sind umstritten, insbesondere die Regelung des Abs. 1 Nr. 2 (Befreiung bei unverhältnismäßig hohen Kosten oder unangemessenen Verzögerungen). Im Rahmen der Umsetzung des BilMoG 2009 wurde teilweise eine Anpassung der Norm gefordert. Es bestand die Sorge, dass die (unveränderte) Norm einer Annäherung von HGB und IFRS entgegenstehen könnte, insbesondere wegen Abweichungen bei der Einbeziehung von Anteilen an Tochterunternehmen, die ausschließlich zum Zwecke ihrer Weiterveräußerung gehalten werden (vgl. IFRS 5). Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. In der Praxis lässt sich jedoch durch eine flexible Handhabung der Ausübungswahlrechte in § 296 HGB in wesentlichen Punkten eine Übereinstimmung mit IFRS erzielen.
2. Erläuterung
a) Gemeinsame Voraussetzungen der Einbeziehungswahlrechte
Tz. 167
Als Ausnahmen vom Gebot der Vollständigkeit des Konsolidierungskreises sind die in der Norm beschriebenen Einbeziehungswahlrechte eng auszulegen. Sie sind abschließend und nicht analogiefähig.
Tz. 168
Zwar sind die Einbeziehungswahlrechte an jedem Abschlussstichtag ne...