Dr. Mathias Link, Mag. Klemens Eiter
Tz. 314
§ 300 Konsolidierungsgrundsätze. Vollständigkeitsgebot
(1) In dem Konzernabschluß ist der Jahresabschluß des Mutterunternehmens mit den Jahresabschlüssen der Tochterunternehmen zusammenzufassen. An die Stelle der dem Mutterunternehmen gehörenden Anteile an den einbezogenen Tochterunternehmen treten die Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und Sonderposten der Tochterunternehmen, soweit sie nach dem Recht des Mutterunternehmens bilanzierungsfähig sind und die Eigenart des Konzernabschlusses keine Abweichungen bedingt oder in den folgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist.
(2) Die Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten sowie die Erträge und Aufwendungen der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen sind unabhängig von ihrer Berücksichtigung in den Jahresabschlüssen dieser Unternehmen vollständig aufzunehmen, soweit nach dem Recht des Mutterunternehmens nicht ein Bilanzierungsverbot oder ein Bilanzierungswahlrecht besteht. Nach dem Recht des Mutterunternehmens zulässige Bilanzierungswahlrechte dürfen im Konzernabschluß unabhängig von ihrer Ausübung in den Jahresabschlüssen der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen ausgeübt werden. Ansätze, die auf der Anwendung von für Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen wegen der Besonderheiten des Geschäftszweigs geltenden Vorschriften beruhen, dürfen beibehalten werden; auf die Anwendung dieser Ausnahme ist im Konzernanhang hinzuweisen.
1. Einleitung
a) Überblick
Tz. 315
Die Bestimmungen des § 300 HGB beinhalten Verfahrensregelungen zur Ableitung eines gesetzeskonformen Konzernabschlusses aus den einzelnen Jahresabschlüssen. Diese Regelungen werden unter dem Terminus der Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung (GoK) zusammengefasst und treten im Sinne einer Ergänzung neben die gemäß der Generalnorm des § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB auch im Konzernabschluss einschlägigen GoB (§ 297 Abs. 2 Satz 2 HGB). Praktische Bedeutung erlangen die GoK vor allem in solchen Fällen, in denen die (Konzern-)Rechnungslegungsvorschriften auslegungsbedürftig sind oder Regelungslücken bestehen.
§ 300 HGB umfasst nicht sämtliche kodifizierten handelsrechtlichen Konsolidierungsgrundsätze, sondern ausschließlich jene im Hinblick auf die Zusammenfassung des Jahresabschlusses durch Vollkonsolidierung, die einheitliche Bilanzierung sowie die Vollständigkeit. Bei den außerhalb des § 300 HGB kodifizierten Konsolidierungsgrundsätze handelt es sich insbes. um:
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 316
§ 300 HGB wurde durch das BiRiLiG des Jahres 1985 in das HGB aufgenommen. Die Regelungen des § 300 Abs. 2 HGB dienen dazu, die in Art. 18 und Art. 22 der 7. EG-Richtlinie enthaltenen Bestimmungen umzusetzen. Durch das BilMoG wurden lediglich formale bzw. redaktionelle Änderungen des Gesetzeswortlauts vorgenommen, indem das Wort "Bilanzierungshilfen" in § 300 Abs. 1 Satz 2 HGB gestrichen wurde. Dies resultiert folgt aus der Änderung der Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts des Ersten Abschnitts sowie des Ersten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts, durch die die bis dato bestehenden Bilanzierungshilfen aufgehoben.
c) Geltungsbereich
aa) Sachlicher Geltungsbereich
Tz. 317
Der Anwendungsbereich des § 300 HGB erstreckt sich auf alle nach § 290 HGB aufgestellten Konzernabschlüsse. Sofern ein Unternehmen nach dem PublG zur Konzernrechnungslegung verpflichtet ist, gelten die Vorschriften des § 300 HGB über § 13 Abs. 2 Satz 1 PublG auch für diese Unternehmen. § 300 HGB ist sowohl im Hinblick auf die gem. § 290; § 294 HGB in den Konzernabschluss einzubeziehenden Tochterunternehmen als auch für die im Zuge der Quotenkonsolidierung einzubeziehenden Gemeinschaftsunternehmen zu beachten.
bb) Zeitlicher Geltungsbereich
Tz. 318
Der durch das BilMoG 2009 modifizierte § 300 HGB ist zwingend auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 beginnen (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB). Wahlweise war bereits eine Anwendung auf Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2008 begannen, möglich.
d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven
Tz. 319
§ 300 Abs. 2 Satz 2 HGB legt fest, dass die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten unabhängig davon erfolgen kann, wie diese in den Jahresabschlüssen der einbezogenen Unternehmen – dies schließt auch das Mutterunternehmen ein – ausgeübt werden. Gegenstand kontroverser Diskussion jedoch ist die Frage, ob für die Ausübung von Ansatzwahlrechten ähnlich wie für Bewertungswahlrechte, für die § 308 HGB einheitlich...