Dipl.-Oec. Andrea Bruckner, Dr. Niklas Homfeldt
Tz. 263
Der Widerruf ist gesetzlich nicht geregelt und vollzieht sich daher nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Erkennt der Abschlussprüfer nach Beendigung der Prüfung, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Bestätigungsvermerks nicht vorgelegen haben, und ist das geprüfte Unternehmen nicht bereit, den geprüften Abschluss zu ändern und diejenigen zu informieren, die von dem geprüften Abschluss Kenntnis erlangt haben, ist der Abschlussprüfer grundsätzlich zum Widerruf verpflichtet. Zum Teil wird die weniger strenge Auffassung vertreten, dass ein Widerruf in Betracht kommt und eine Verpflichtung dann vorliegt, wenn die nachträglich bekannt gewordenen Mängel so gravierend sind, dass sie bei frühzeitiger Kenntnis zu einem Versagen des Bestätigungsvermerks geführt hätten, und dass noch die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 4 AktG geltend gemacht werden könnte. Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Testats begründen keinen Widerruf. Die Zulässigkeit des Widerrufs schützt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Richtigkeit erteilter Bestätigungsvermerke. Insofern sind nicht nur uneingeschränkte Bestätigungsvermerke, sondern auch eingeschränkte Bestätigungsvermerke und Versagungsvermerke widerrufbar.
Tz. 264
Ein Widerruf ist nicht nötig, wenn die Vermeidung eines falschen Eindrucks über das Ergebnis der Abschlussprüfung anderweitig sichergestellt ist, z. B. weil ein geänderter Jahresabschluss die Adressaten nicht wesentlich später als ein möglicher Widerruf erreicht. Der Widerruf als Maßnahme zur Beseitigung der Irreführung der Öffentlichkeit muss in jedem Fall verhältnismäßig sein. Fehlerfeststellungen durch die DPR oder die BaFin führen nicht notwendigerweise zum Widerruf des Bestätigungsvermerks. Kommt der Abschlussprüfer aber aufgrund der Prüfungsergebnisse der DPR oder der BaFin zur Erkenntnis eines fehlerhaft erteilten Bestätigungsvermerks, muss er diesen grundsätzlich widerrufen.Tatsachen, die erst nach Beendigung der Prüfung eingetreten sind, begründen keine Widerrufspflicht. Folgt das geprüfte Unternehmen der Empfehlung des Prüfers, den Jahresabschluss zu ändern oder nimmt es aus eigener besserer Erkenntnis heraus eine solche Änderung vor, ist eine Nachtragsprüfung erforderlich.
Tz. 265
Der Widerruf ist zu begründen und schriftlich an den Auftraggeber, d. h. in der Regel an den Aufsichtsrat, zu richten. Soweit nicht der Aufsichtsrat für die Erteilung des Prüfungsauftrags zuständig ist, sollte eine Unterrichtung der Aufsichtsgremien stattfinden. Aufgrund einer ggf. erforderlichen Veröffentlichung des Widerrufs ist dieser zudem den gesetzlichen Vertretern bekanntzugeben. Der Abschlussprüfer ist hierbei an keinerlei Fristen gebunden. Mögliche Gründe für den Widerruf können Täuschung des Abschlussprüfers, Übersehen von Tatsachen, die bei gewissenhafter Prüfung nicht hätten übersehen werden dürfen, oder eine falsche Würdigung bestimmter Sachverhalte sein. Auch die Erkenntnis, dass der Bestätigungsvermerk unvollständig ist und z. B. keine Hinweise auf bestandsgefährdende Risiken enthält, kann einen Widerruf begründen. Im Interesse des Abschlussprüfers kann es geboten sein, Aufsichtsgremien, ggf. das Registergericht und unter Umständen Personen, die vom Bestätigungsvermerk Kenntnis haben dürften, wie z. B. Kreditinstitute, vom Widerruf zu unterrichten. Ist der erteilte Bestätigungsvermerk bereits nach §§ 325 ff. HGB offengelegt worden, hat der Abschlussprüfer von der Gesellschaft die Offenlegung des Widerrufs im Bundesanzeiger zu verlangen. Verweigert die Gesellschaft eine solche Veröffentlichung oder weist sie dem Abschlussprüfer eine solche nicht nach, ist dieser selbst zur Bekanntmachung berechtigt.
Tz. 266
Ein einmal festgestellter Jahresabschluss wird durch den Widerruf nicht unwirksam, es sei denn, der materielle Grund, der zum Widerruf geführt hat, begründet gleichzeitig die Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Ist der Bestätigungsvermerk hingegen vor der Feststellung des Jahresabschlusses widerrufen, ist die Prüfung aufgrund der fehlenden Erteilung eines wirksamen Bestätigungsvermerks noch nicht beendet und der Jahresabschluss kann nicht festgestellt werden. Ab dem Zeitpunkt des Widerrufs darf der Bestätigungsvermerk von der Gesellschaft nicht mehr verwendet werden. Um Missbrauch zu verhindern, sollte der Abschlussprüfer alle ausgehändigten Exemplare zurückfordern. Nach erfolgtem Widerruf des ursprünglichen Bestätigungsvermerks ist ein davon abweichender Bestätigungsvermerk zu erteilen.