Dipl.-Oec. Andrea Bruckner, Dr. Niklas Homfeldt
Tz. 246
Sofern Einwendungen zu erheben sind, ist der Bestätigungsvermerk nach Abs. 4 Satz 1 einzuschränken oder zu versagen. Unter Einwendungen sind Beanstandungen gegen die Rechnungslegung zu verstehen, die sich im Rahmen der Prüfungsdurchführung ergeben. Der Abschlussprüfer muss aufgrund seiner Treuepflicht die geprüfte Gesellschaft zunächst auffordern, den Mangel zu beseitigen. Wurden Beanstandungen im Rahmen der Abschlussprüfung beseitigt, besteht keine Veranlassung für eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks. Weigert sich die Gesellschaft, die festgestellten Unzulänglichkeiten zu beseitigen oder ist dies bis zum Abschluss der Prüfung nicht möglich, so hat der Abschlussprüfer dies in seinem Urteil herauszustellen. Mängel aus dem Vorjahresabschluss können nur dann eine Beanstandung begründen, wenn sie im zu prüfenden Abschluss fortwirken.
Nur wesentliche, nicht jedoch geringfügige Beanstandungen können zu Einwendungen führen. Von der Wesentlichkeit ist auszugehen, wenn damit zu rechnen ist, dass festgestellte Mängel wegen ihrer relativen Bedeutung zu einer unzutreffenden Beurteilung der Rechnungslegung führen können. Wesentlichkeit liegt insbesondere vor, wenn durch den Mangel das Entscheidungsverhalten der Abschlussadressaten beeinflusst wird. Die Klassifikation eines Mangels als unwesentlich oder wesentlich hat der Abschlussprüfer nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen. Für die Bewertung von Mängeln ist in quantitativer Hinsicht die betragsmäßige Auswirkung des Verstoßes zu beurteilen. Zur Abschätzung der relativen Bedeutung sind Bezugsgrößen wie Betrag der betroffenen Jahresabschlussposition, Jahresergebnis, Eigenkapital oder Bilanzsumme heranzuziehen. Eine qualitative Komponente bilden Verstöße gegen bestimmte Einzelvorschriften, denen aus anderen Gründen eine besondere Bedeutung zukommt, wie z. B. Vorschriften über eigene Aktien. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung, d. h. es kommt weder auf die Wesentlichkeit der einzelnen Einwendungen an, noch darauf, wie viele Bilanzpositionen betroffen sind. Mehrere, für sich allein unwesentliche Mängel können in ihrer Gesamtheit ebenfalls wesentlich sein.
Tz. 247
Auch die Frage, ob der Bestätigungsvermerk einzuschränken oder zu versagen ist, ist vom Abschlussprüfer nach pflichtgemäßem Ermessen zu beantworten. Die Entscheidung hängt von der Art und der Schwere der Einwendungen ab. Eine Einschränkung ist nach Abs. 4 Satz 4 ausreichend, wenn der Jahresabschluss trotz der Beanstandungen ein den tatsächlichen Verhältnissen im Wesentlichen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt. Wesentliche Teile der Rechnungslegung können also noch positiv beurteilt werden und lediglich zu abgrenzbaren Teilen ist ein solcher Positivbefund nicht mehr möglich. Entscheidend ist also die Abgrenzbarkeit der zu erhebenden Einwendungen.
Eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks kann sich auf folgende Aspekte beziehen:
- Gesetzesmäßigkeit der Buchführung, des Jahresabschlusses und des Lageberichts
- Beachtung der Generalnorm, d. h. Vermittlung eines unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
- Aussagefähigkeit des Lageberichts einschließlich der Darstellung der wesentlichen Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung
Wesentliche Verstöße oder Mängel in den nachfolgenden Teilbereichen können zur Einschränkung führen: Buchführung (z. B. fehlende Handelsbücher), Gliederungsvorschriften (z. B. kein gesonderter Ausweis der Kapitalrücklage), Ansatzvorschriften (z. B. Aktivierung einer Marke), Bewertungsvorschriften (z. B. fehlende Niederstwertabschreibungen), Bildung und Auflösung offener Rücklagen, Berichterstattung im Anhang (z. B. fehlende Angaben zu den Abschlussprüferhonoraren; vgl. § 285 Nr. 17 HGB, oder zur Organvergütung, vgl. § 285 Nr. 9 HGB), Lagebericht (z. B. unterbliebener oder unzulänglicher Risikobericht), Generalnorm, gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzvorschriften (z. B. Verbot der Rückgewähr von Einlagen, § 57 AktG/§ 30 GmbHG). Bei zukunftsabhängigen Schätzgrößen im Jahresabschluss sollte der Abschlussprüfer mit Einschränkungen des Bestätigungsvermerks hingegen zurückhaltender sein, da er nur die Plausibilität der Schätzungen beurteilen kann. Sind erforderliche Prüfungshandlungen nicht durchgeführt worden, kommt eine Einschränkung nicht in Betracht.
Tz. 248
Eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks ist nach Abs. 4 Satz 3 zu begründen, d. h. der Grund der Einschränkung ist ausdrücklich zu benennen und verständlich zu umschreiben. Außerdem muss die Begründung erkennen lassen, weshalb die erhobenen Einwendungen wesentlich sind. Nicht ausreichend für die Begründung einer Einschränkung ist die bloße Angabe der verletzten Norm. Des Weiteren ist es unzulässig, zur Begründung auf den Prüfungsbericht zu verweisen. Das Wort "Ein...