Tz. 32
Die Haftung des Abschlussprüfers kann mit der des Geschäftsführers bzw. Vorstands bzw. Aufsichtsrats zusammentreffen, weil diese ihm relevante Tatsachen für den JA verschwiegen haben und wegen der fehlerhaften Aufstellung selber haften. Diese Haftung führt aber nicht zum Ausschluss der Abschlussprüferhaftung. Der Abschlussprüfer haftet nur – aber gerade deswegen – wenn (bzw. weil) er schuldhaft eine Pflicht verletzt hat. Aus der Perspektive der zu prüfenden Gesellschaft haften sowohl ihre Organe als auch der Abschlussprüfer. Der Abschlussprüfer kann der zu prüfenden Gesellschaft gerade nicht entgegenhalten, dass sie sich gem. § 31 BGB die schuldhafte Pflichtverletzung seiner Organe zurechnen lassen muss. § 31 BGB passt nicht, weil die Vorschrift zur Zurechnung von Vorstandsverhalten führen soll, um die Gesellschaft haften zu lassen. Bei der Aufstellung des JA und seiner Prüfung geht es jedoch um den Schutz des Gesellschaftsvermögens und damit mittelbar um Gläubiger- und Anteilseignerschutz. Die Gesellschaft muss sowohl gegen einen schädigenden Vorstand bzw. Geschäftsführer als auch gegen einen schädigenden Abschlussprüfer in vollem Umfang vorgehen können. Zutreffend ist mit der nunmehr sich durchsetzenden Ansicht für den Fall, dass sowohl dem Vorstand/Geschäftsführer als auch dem Abschlussprüfer jeweils Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, zu differenzieren: § 254 BGB kann zur Anwendung kommen, wenn der Geschäftsleiter seinen Auskunfts- und Prüfungspflichten gem. § 320 HGB nicht nachkommt. Ebenfalls obliegt der Gesellschaft weiterhin die Schadensminderungspflicht. Hingegen kann § 254 BGB nicht angewendet werden, wenn der Abschlussprüfer gegen § 317 HGB verstoßen hat.
Tz. 33
Der Bundesgerichtshof will jedoch Mitverursachungsbeiträge von Vorstand und Geschäftsführer gem. § 31 BGB der Gesellschaft zurechnen. Gleichwohl akzeptiert er es auch, dass die Kontrollfunktion des Abschlussprüfers einen etwas zurückhaltenden Umgang mit dem Einwand des Mitverschuldens zulässt. Zumindest kann nun nicht mehr der bislang vertretenen Auffassung gefolgt werden, die so differenzierte: Der Abschlussprüfer haftet nur voll, wenn er vorsätzlich und Vorstand bzw. Geschäftsführer fahrlässig handeln. Bei vorsätzlichem Handeln von Vorstand bzw. Geschäftsführer und fahrlässigem Verhalten des Abschlussprüfers soll die Haftung entfallen, während beim Zusammentreffen von Fahrlässigkeit auf beiden Seiten oder Vorsatz auf beiden Seiten § 254 BGB anzuwenden ist. Der Bundesgerichtshof hat lediglich Stellung bezogen für das Zusammentreffen von vorsätzlichem Handeln der Geschäftsleitung und fahrlässiger Falschprüfung. Die Haftung des Abschlussprüfers soll in dieser Konstellation nicht gänzlich entfallen; die Gesellschaft muss sich aber ein (maßgebliches) Mitverschulden zurechnen lassen. Es soll auf den Einzelfall ankommen. Für das Zusammentreffen von Fahrlässigkeit auf beiden Seiten lässt sich aus der Entscheidung keine Deutung herleiten. Dass es nach vorsätzlicher Falschprüfung durch den Abschlussprüfer nicht zu einer Anspruchsminderung kommen darf, liegt auch dann auf der Hand, wenn der Geschäftsleiter ebenfalls vorsätzlich gehandelt hatte.