Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Tz. 125
Als Gesellschaftsgeheimnis geschützt sind Informationen über äußere und innere Tatsachen, die einen wirtschaftlichen Bezug zur Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen haben. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind die praktisch wichtigsten Anwendungsfälle, wobei Betriebsgeheimnisse (Herstellungs- und Fertigungsverfahren, Erfindungen, Rezepte, Konstruktionspläne etc.) den technischen Bereich und Geschäftsgeheimnisse (Angebote, Bankverbindlichkeiten, Beteiligungsverhältnisse, Bezugsquellen, Bieterlisten, Kalkulationsunterlagen, Zahlungskonditionen etc.) den kaufmännischen Bereich betreffen, ohne dass eine Abgrenzung im Einzelnen notwendig wäre. Es muss sich allerdings um eine nicht offenkundige Tatsache handeln (objektives Element, vgl. Tz. 126), bezüglich derer ein Geheimhaltungswille (subjektives Element, vgl. Tz. 127) und ein individuelles und objektiv anzuerkennendes Geheimhaltungsinteresse (normatives Element, vgl. Tz. 128) besteht.
Tz. 126
Objektives Element: Ein Geheimnis darf nur einem eng begrenzten Personenkreis legal zugänglich sein. Offenkundige Tatsachen stehen dagegen dem beliebigen Zugriff Dritter offen, etwa im Internet, Zeitschriften, durch Publikation bei Patentanmeldung etc. Eine Zusammenfassung offenkundiger Einzelinformationen kann allerdings ein Geheimnis verkörpern, sofern die Zusammenfassung der Einzelelemente einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil birgt (Mosaiktheorie).
Tz. 127
Subjektives Element: An die Manifestation des Geheimhaltungswillens sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Er fehlt allerdings, wenn das zuständige Organ der Gesellschaft ausdrücklich oder konkludent den Willen zur Offenbarung zum Ausdruck bringt. Ein pflichtwidriger Offenbarungswille beseitigt den Geheimnischarakter aber nicht (was u. a. bei § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu Widersprüchen führen würde), es sei denn, dass der pflichtwidrige Wille bereits zur Offenkundigkeit geführt hat.
Tz. 128
Normatives Element: Ein erkennbares und objektiv anzuerkennendes Geheimhaltungsinteresse liegt dann vor, wenn der Gesellschaft durch das Bekanntwerden Schaden droht, etwa durch Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit, Minderung des Ansehens oder Vertrauensverlust. Nach h. M. erfasst werden dabei auch rechts- und sittenwidrige Geheimnisse, so z. B. Informationen über Kartell- und Submissionsabsprachen, Steuer-, Zoll- und Umweltstraftaten, Verstöße gegen das AWG, Insiderdelikte etc. Dies gilt hier auch gegenüber staatlichen Stellen; soweit dem Berufsgeheimnisträger ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. §§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 53a StPO etc. (vgl. Tz. 138) zusteht, muss er davon Gebrauch machen. Im Einzelfall kommt jedoch eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht (vgl. Tz. 140).