Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Tz. 72
Bei Tateinheit gem. § 52 StGB, d. h. wenn dieselbe Handlung das Strafgesetz mehrmals verletzt, wird trotz Nennung aller Taten im Urteilstenor nur auf eine Strafe erkannt (vgl. Tz. 73, 75). Die mehrfache Gesetzesverletzung wirkt innerhalb des Strafrahmens strafschärfend. Sind unterschiedliche Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf aber nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. Bei Tatmehrheit gem. § 53 StGB (vgl. Tz. 74, 75) werden hingegen mehrere Einzelstrafen gebildet und dann auf eine Gesamtstrafe erkannt. Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB). Bei Gesetzeskonkurrenz (vgl. Tz. 76) ergibt die Auslegung der verwirklichten Tatbestände, dass diese nicht nebeneinander (i. S. v. Tateinheit oder Tatmehrheit), sondern nur einer von ihnen anzuwenden ist.
Tz. 73
Tateinheit: Ein einzelner Abschluss bzw. Bericht mit mehreren unrichtigen Darstellungen i. S. d. § 331 Nr. 1–3 HGB bildet dementsprechend nur eine Tat. Das gleiche gilt für § 331 Nr. 4 HGB, wenn gegenüber dem Abschlussprüfer mehrere unrichtige Aufklärungen und Nachweise gemacht werden, aufgrund des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (natürliche Handlungseinheit). Die Abgabe eines unrichtigen Bilanzeides nach § 331 Nr. 3a HGB soll nach h. M. zu den vorgenannten Delikten eine andere Tat bilden. Dies erscheint zweifelhaft, auch wenn die Tatvariante so immerhin eine gewisse eigenständige Bedeutung bekäme (vgl. Tz. 57). Der Abschluss bzw. der Bericht und die schriftliche Versicherung befinden sich aber regelmäßig im gleichen Dokument (§ 267 Abs. 2 Satz 3 HGB: "bei der Unterzeichnung"), wenn auch oftmals auf separatem Blatt; wird das Dokument den Adressaten typischerweise in einem zugänglich gemacht, ist richtigerweise von Tateinheit auszugehen.
Tz. 74
Tatmehrheit: Mehrere Handlungen liegen aber dann vor, wenn die unrichtigen Darstellungen in mehreren Abschlüssen oder Berichten enthalten sind; dies gilt auch bei einem unrichtigen Jahresabschluss eines Unternehmens (§ 331 Nr. 1 HGB), der in einen unrichtigen Konzernabschluss (§ 331 Nr. 2 HGB) Eingang findet. Es sei denn, dass beide Tathandlungen ineinander übergehen. Das Gleiche muss für die Erstellung eines unrichtigen (Konzern-)Abschlusses nach HGB (§ 331 Nr. 1 bzw. 2 HGB) und die Offenlegung eines darauf aufbauenden IFRS-Abschlusses (§ 331 Nr. 1a bzw. 3 HGB) gelten. Eine Tat nach § 331 Nr. 4 HGB wird nicht durch eine nachfolgende Tat nach § 331 Nr. 1–3a HGB konsumiert.
Tz. 75
Verhältnis zu anderen Strafgesetzen: § 331 HGB kann mit anderen Tatbeständen in Tateinheit stehen, wobei sich die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Sanktion androht (§ 52 Abs. 2 StGB). Namentlich gilt dies für den Betrug gem. § 263 StGB (Falschangaben zwecks Erlangung von Vermögensvorteilen), den Subventionsbetrug gem. § 264 StGB, den Kapitalanlagebetrug gem. § 264a StGB, den Kreditbetrug gem. § 265b StGB, die Untreue gem. § 266 StGB und die strafbare Marktmanipulation gem. §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG (natürliche Handlungseinheit). Tatmehrheit liegt allerdings dann vor, wenn die falschen Angaben im Hinblick auf den Abschluss gemacht wurden und erst nach Veröffentlichung der Entschluss gefasst wird, den falschen Abschluss für weitere Straftaten zu verwenden. Im Insolvenzfall tateinheitlich verwirklicht sind der Bankrott gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7 lit. a) StGB bzw. die Verletzung der Buchführungspflicht gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3 lit. a) StGB (je nachdem, ob im Tatzeitpunkt bereits eine Krisensituation vorlag oder nicht); auch insoweit aufgrund z. T. unterschiedlicher Schutzrichtungen kein Fall der Konsumtion. Hat die bloße Fehlbilanzierung nur eine untergeordnete Bedeutung dürfte in vielen Fällen trotz Tateinheit oder Tatmehrheit die Anwendung von §§ 154, 154a StPO naheliegen.
Tz. 76
Gesetzeskonkurrenz liegt nur dann vor, wenn die Handlung zwar gegen mehrere Strafgesetze verstößt, jedoch der Unrechtsgehalt der Tat durch eine Vorschrift erschöpfend erfasst und abgegolten wird. Entsprechend treten die § 400 Abs. 1 Nr. 1–2 AktG, § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG, § 147 Abs. 2 Nr. 1–2 GenG, § 17 PublG und § 313 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hinter § 331 HGB (hier: kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung) im Wege der Subsidiarität zurück. Mitverwirklichte Bußgeldtatbestände treten ebenfalls hinter § 331 HGB zurück; insoweit gilt § 21 OWiG.