Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Tz. 12
§ 331 HGB ist ein Sonderdelikt, d. h. als Täter kommt von vornherein (unabhängig von einer etwaigen Tatherrschaft) nur ein beschränkter Adressatenkreis in Betracht, in erster Linie die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer KapGes. Im Einzelnen vgl. Tz. 30, 46, 49, 53, 58, 64.
Tz. 13
Sofern das bestellte Organ oder das Aufsichtsratsmitglied das Amt aufgrund der Bestellung ausübt, ist es für die Frage der Täterschaft nicht erheblich, ob der Bestellungsakt zivil- bzw. gesellschaftsrechtlich wirksam ist, etwa bei fehlender Eintragung ins Handelsregister oder Nichtigkeit der Gesellschaft. Die h. M. nimmt eine faktische Betrachtungsweise vor und lässt sogar die tatsächliche Übernahme der Funktion genügen, um auch Fälle zu erfassen, in denen bloße Strohmänner als Organe fungieren. Kriterien für die Annahme eines faktischen Organmitglieds sind der maßgebliche Einfluss auf die Unternehmenspolitik, -organisation und -abläufe, die Einstellung und Entlassung von Personal, Gestaltung der Geschäftsbeziehungen, die maßgebliche Einflussnahme auf Buchhaltung, Bilanzierung und Steuerangelegenheiten sowie die Festlegung und Höhe des eigenen Gehalts. Außerdem muss die Tätigkeit nach außen erkennbar und auf Dauer angelegt sein.
Tz. 14
Die hierzu z. T. in der Literatur geäußerten Bedenken sind im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG (Analogieverbot) nicht ganz von der Hand zu weisen: Der Verweis auf § 14 Abs. 3 StGB ist schon deshalb fragwürdig, weil es hier zu einer Überwälzung der Tätereigenschaft gar nicht kommt, da es bei § 331 HGB um den Verstoß gegen höchstpersönliche Organpflichten geht. Ein „faktischer” Vorstand mag zudem wie ein Vorstandsmitglied handeln und das Tatgeschehen auch mehr oder minder beherrschen. Als „Mitglied des vertretungsberechtigten Organs” wird man ihn aber nur schwer bezeichnen können, insbesondere wenn statt ihm offiziell eine andere Person für dieses Amt bestellt worden ist. Der sogenannte Strohmann wird schließlich auch von der h. M. nicht von seinen Verpflichtungen befreit; er ist vielmehr derjenige, der durch seine Unterschrift die Richtigkeit der Rechnungslegung nach außen hin vertritt. Die h. M. führt also zu einer Verdopplung von Verantwortlichkeiten.
Tz. 15
Weitere Probleme ergeben sich beim arbeitsteiligen Zusammenwirken: Trifft ein mehrköpfiges Vertretungsorgan eine gemeinsame Entscheidung, gelten die allgemeinen Regeln des Strafrechts, d. h. alle Stimmen, die einen Beschluss mitkonstituieren, sind für diesen (und die Folgen) kausal. Ein überstimmtes Gremienmitglied kann aber u. U. auch zur Verantwortung gezogen werden, wenn es an der Umsetzung eines rechtswidrigen Beschlusses mitwirkt, so z. B. (zähneknirschend) den unrichtigen Jahresabschluss mit unterzeichnet. Die interne Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedern wirkt nicht entlastend (§ 41 GmbHG; §§ 91, 171 AktG), da die Organpflichten nicht zur Disposition körperschaftlicher Organisationsregeln stehen. Für die Frage des Vorsatzes bzw. des Verschuldens können sie aber bedeutsam werden. Das Gleiche gilt für die Delegation von Aufgaben auf nicht zum Vorstand gehörende Angestellte, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte.
Tz. 16
Angestellte, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte sind selbst keine tauglichen Täter des § 331 HGB, sogar dann nicht, wenn ihnen bei der Tat eine Schlüsselrolle zugekommen ist. Eine Erweiterung des Täterkreises durch § 14 Abs. 2 StGB kommt nicht in Betracht. Insoweit scheiden auch mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) und Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) aus. Sind alle Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats gutgläubig, ist aufgrund des Sonderdeliktcharakters eine Sanktionierung nicht möglich. Gelingt der Nachweis einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat eines tauglichen Täters, kommen jedoch Teilnahme, d. h. Anstiftung oder Beihilfe (§§ 26, 27 StGB), in Betracht. Zu Besonderheiten bei den Rechtsfolgen (§ 28 Abs. 1 StGB) vgl. Tz. 78.