Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Tz. 27
Als Erklärung für die verhältnismäßig geringe kriminalstatistische Sichtbarkeit des § 331 HGB (vgl. Tz. 7) lässt sich vor allem Folgendes anführen: Bilanzstraftaten werden i. d. R. nicht um ihrer selbst willen begangen. Am Ende der Ermittlungen stehen meist andere Straftatbestände im Vordergrund, namentlich Betrugs- (§§ 263 ff. StGB), Untreue- (§§ 266, 266a StGB), Bankrott- (§§ 283 ff. StGB), Korruptions- (§§ 299, 331 ff. StGB) oder Steuerdelikte (§§ 370 ff. AO), die in Deutschland i. d. R. schärfer bestraft werden. Dies hat zur Folge, dass häufig zu Lasten der Bilanzdelikte (zu den Konkurrenzverhältnissen vgl. Tz. 75 f., 111) ermittelt bzw. später von den §§ 154, 154a StPO Gebrauch gemacht wird. Der Befund könnte darüber hinaus für die Effektivität der außerstrafrechtlichen Kontrollmechanismen in Deutschland sprechen: Das System der Abschlussprüfung gem. §§ 316 ff. HGB durch unabhängige Kontrollorgane führt in vielen Fällen zu einer rechtzeitigen internen Korrektur, zumal die Abschlussprüfer sich mit der Strafdrohung des § 332 HGB konfrontiert sehen (ohne von etwaigen unentdeckten Manipulationen zu profitieren). Praktische Bedeutung hat § 334 HGB zudem im Zivilprozess (ohne dass insoweit eine statistische Erfassung erfolgt) als Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB.
Tz. 28
Aus dem statistischen Befund allein lässt sich also kein dringender Reformbedarf herleiten. Übermäßige Schwierigkeiten bereitet allenfalls der Vorsatznachweis, so dass teilweise gefordert wird, die leichtfertige Offenlegung von unrichtigen oder verschleiernden Abschlüssen generell unter Strafe zu stellen. Die Differenzierung zwischen HGB-Abschlüssen (§ 331 Nr. 1, 2, 3a und 4 HGB: insoweit ist Vorsatz erforderlich, vgl. Tz. 41, 50, 62, 69) auf der einen Seite und IFRS-Abschlüssen sowie ausländischen Konzernabschlüssen (§ 331 Nr. 1a, 3 HGB: insoweit reicht Leichtfertigkeit, vgl. Tz. 47, 55) auf der anderen Seite erscheint in der Tat im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Darstellungen ungereimt. Zudem enthalten auch die Buchdelikte in §§ 283 Abs. 4 und 5, 283b Abs. 3 StGB Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten. Angemessen erscheint hingegen der im Vergleich zu den §§ 263 ff., 266, 266a, 283, 332 StGB, § 370 AO (vgl. Tz. 27) geringere Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, da § 331 HGB als abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. Tz. 11) keine reale Rechtsgutseinbuße voraussetzt. Angezeigt wäre jedoch eine Anhebung des Strafrahmens von § 331 Nr. 3a HGB (sog. Bilanzeid) auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe, um der bisher (binnensystematisch) an sich überflüssigen Vorschrift (vgl. Tz. 57) einen eigenständigen Anwendungsbereich zu verschaffen. Zumal die besondere Bekräftigung der Richtigkeit eines unrichtigen Abschlusses auch einen Ausdruck höherer krimineller Energie darstellt und das US-amerikanische Vorbild hierfür weit schärfere Strafen vorsieht.