Dr. Falk Mylich, Dr. Mathias Link
Tz. 53
Es muss eine "Versicherung" abgegeben werden. Eine "Versicherung" geht bereits dem Sprachgebrauch nach weit über eine "Unterschrift" hinaus. Im Strafrecht wird neben dem Lügen vor Gericht (uneidlich und eidlich §§ 153, 154 StGB) in Ausnahmefällen die inhaltlich falsche Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) vor einer dazu zuständigen Stelle unter Strafe gestellt. Um dem Bilanzeid eigenständige Kontur zu verleihen, enthält die Versicherung die Aussage, dass sich der Unterzeichnende mit dem Jahresabschluss beschäftigt habe und eben dessen Richtigkeit nach bestem Gewissen versichern kann. Das heißt, dass bei Unternehmen, deren Geschäftsleiter einen Bilanzeid zu leisten haben, alle Geschäftsleiter den Jahresabschluss eigenverantwortlich prüfen müssen. Anders als bei § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB besteht die Pflicht nicht allein darin, für die kompetente Aufstellung des Jahresabschlusses zu sorgen, sondern diesen auch eigenständig in vollem Umfang zu überprüfen. Während einem Vorstand bzw. Geschäftsführer kein Vorwurf bei Fehlern im Jahresabschluss gemacht werden kann, wenn er mit seinen Kollegen dafür sorgt, dass sich ein kompetenter Kollege des Exekutivgremiums um die Aufstellung des Jahresabschlusses kümmert und nur überwacht wird, verlangt eine Eidesleistung, dass alle Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer den Jahresabschluss vollständig überprüft haben. Das lag wohl auch in der Intention des Gesetzgebers; Teile der Literatur wollen jedoch über die bislang bestehenden Überwachungspflichten nicht hinausgehen. Der strengen Gesetzgebersicht ist zu folgen; andernfalls wäre die Vorschrift völlig überflüssig. Es wurde bei § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB ein Wortlaut gewählt, der zu einer intensiven Auseinandersetzung der versichernden Person mit dem Jahresabschluss zwingt. Die Konsequenz ist daher, dass für einen Bilanzeid jedes Vorstandsmitglied bzw. jeder Geschäftsführer vertiefende Kenntnisse im Bilanzrecht haben muss.
BEISPIEL
Im dreiköpfigen Vorstand der A-AG ist X für die Bilanzierungs- und Finanzierungsfragen zuständig. Er legt den aufgestellten und vom Abschlussprüfer S geprüften JA seinen Kollegen Y und Z vor. Auch wenn diese für Forschung, Produktion und Vertrieb zuständig sind, müssen sie für den Bilanzeid notwendige Kenntnisse haben, um sich inhaltlich mit dem JA auseinanderzusetzen. Fehlt es daran, können sich Y und Z ggf. einen externen Experten zu Hilfe nehmen, der mit ihnen die relevanten Punkte durchgeht und überprüft. Hingegen können sie nicht auf S zurückgreifen, weil dieser bereits als Prüfer in die Aufstellung involviert war; der Rechtsgedanke von § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG kann nicht herangezogen werden. Die Rechtsprechung des BGH, dass ein Aufsichtsrat zur Lektüre des Prüfberichts keinen Sachverständigen heranziehen darf, kann hier keine Anwendung finden. Für den Bilanzeid geht es um Kenntnisse zum Bilanzrecht, die über ein verständiges Lesen des JA und des Lageberichts hinausgehen.
Tz. 54
Folgt man der vorgeschlagenen Sichtweise, ist auch das Problem um das Verhältnis von Unterschrift gem. § 245 HGB und Versicherung gem. § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB einer eindeutigen Lösung zugänglich. Weil die Versicherung weit über die Unterschrift hinausgeht, muss sie erneut geleistet werden und als solche erkennbar sein.
Tz. 55
Es muss höchstpersönlich unterschrieben werden. Damit sind Stellvertretung und Faksimile ausgeschlossen. Ist eine zur Unterzeichnung verpflichtete Person verhindert, muss wie bei § 245 HGB die Versicherung als entbehrlich angesehen werden und braucht nicht nachgeholt zu werden. Bei § 245 HGB werden lebensgefährliche Krankheit und höhere Gewalt als Verhinderungsgründe genannt. Stellt man höhere Anforderungen an den Bilanzeid (inhaltliche Beschäftigung) als an die Unterschrift zur Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses (Kontrolle des dafür zuständigen Mitgliedes des Gremiums und Überprüfung des Jahresabschlusses auf Plausibilität), wird insbesondere bei längerer Krankheit zwischen Aufstellung und Feststellung der Bilanzeid entbehrlich sein. Das Mitglied der Geschäftsleitung hatte nun keine Zeit mehr, sich inhaltlich mit dem Jahresabschluss detailliert zu beschäftigen. Die Unterschrift wird es hingegen aufgrund geminderter Voraussetzungen gleichwohl noch leisten können.