Dr. Falk Mylich, Dr. Mathias Link
Tz. 58
§ 264 Abs. 3 HGB (n. F.) befreit unter gewissen Voraussetzungen Unternehmen von der Beachtung der Sonderregeln für Kapitalgesellschaften (§§ 264–289a HGB), der Abschlussprüfung (§§ 316–324a HGB) und der Offenlegung (§§ 325–329 HGB). Es wird aber nicht von den Buchführungspflichten und der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den §§ 242 ff. HGB befreit. Die Vorschrift setzt Art. 37 der RL 2013/34/EU in deutsches Recht um, während durch die Vorgängerregel Art. 57 der 4. Richtlinie wohl nur unzureichend umgesetzt wurde. Durch das MicroBilG wurden die Befreiungsvoraussetzungen erweitert, weil es nunmehr nicht mehr in die Einbeziehung in den Konzernabschluss gem. § 290 HGB ankommt, sondern die Einbeziehung in den Konzernabschluss einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem Staat der EU oder einem assoziierten Vertragsstaat. Nach bisheriger Rechtslage galt nur § 290 HGB, der zwingend eine im Inland rechnungslegungspflichtige Muttergesellschaft voraussetzt. In der Umsetzung von Art. 37 Abs. 3 der RL 2013/34/EU wurde zudem § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB geändert. Genügte bislang die Verlustübernahme gem. § 302 AktG oder eine freiwillige Übernahme des Jahresverlustes, hat der Gesetzgeber nunmehr postuliert, dass sich das Mutterunternehmen bereiterklärt, für die von der Tochtergesellschaft eingegangenen Verpflichtungen einzustehen.
aa) Voraussetzung: In den Konzernabschluss einbezogene Kapitalgesellschaft
Tz. 59
Es muss sich um eine Kapitalgesellschaft handeln. Erfasst sind somit GmbH, AG und KGaA. Über § 264a HGB ist diese Vorschrift nicht anwendbar, weil § 264b HGB eine großzügigere Regelung für GmbH & Co. KGs aufstellt. Nicht von § 264b HGB ist jedoch die Komplementär-GmbH erfasst, sodass für diese ein Jahresabschluss nach den Regeln der §§ 238 ff. und §§ 264 ff. HGB aufzustellen ist. Eine Befreiung davon wird nur über § 264 Abs. 3 HGB erreicht.
BEISPIEL
Die A-AG ist Gesellschafterin der G-GmbH, die für einen bestimmten Teilbereich der Produktpalette der A-AG Forschung und Entwicklung betreibt. Die K-KG verwaltet einige Immobilien. Komplementärin ist die G-GmbH, Kommanditistin ist die A-AG. Die K-KG unterfällt § 264a HGB und kann § 264b HGB bei Einbeziehung in den Konzernabschluss der A-AG (oder einer Muttergesellschaft von dieser) in Anspruch nehmen. Die G-GmbH kann sich trotz Komplementäreigenschaft bei der K-KG nicht auf § 264b HGB berufen, sondern muss einen eigenen Jahresabschluss aufstellen, der den §§ 264 ff. HGB entspricht. Eine Ausnahme kommt nur über § 264 Abs. 3 HGB in Betracht.
bb) § 264 Abs. 3 Satz Nr. 1 HGB
Tz. 60
Alle Gesellschafter des Tochterunternehmens müssen der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt haben. Dazu bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses. Damit ist eine Zustimmung durch eine Satzungsklausel oder eine durch Satzung antizipierte Zustimmungserklärung ausgeschlossen. Bei Stimmbindungsverträgen gilt: Ist das ausgleichspflichtige Unternehmen oder ein solches, über das es mittelbar die Beteiligung an der Gesellschaft hält, nicht am Stimmbindungsvertrag beteiligt, können die verbundenen Gesellschafter durch Mehrheitsentscheidung untereinander eine einheitliche Stimmabgabe beschließen. Dadurch werden die Rechte der Minderheitsgesellschafter, die am ehesten auf einen geprüften Jahresabschluss gem. den §§ 264 ff. HGB angewiesen sind, nicht beeinträchtigt.
Tz. 61
Die Gesellschafter können eingeschränkt von § 264 Abs. 3 HGB Gebrauch machen, d. h. sie können sich auf den Verzicht lediglich der Offenlegung oder der Abschlussprüfung einigen. Es ist jedoch nicht möglich, nur eingeschränkt von einem bestimmten Unterabschnitt Gebrauch zu machen.
BEISPIEL
Die G-GmbH ist durch einen Unternehmensvertrag mit der A-AG verbunden. Einer der Minderheitsgesellschafter ist W mit einem Anteil von mehr als 20 %. Die Gesellschafter sind sich einig, dass der JA den §§ 264 ff. HGB entsprechen und außerdem offengelegt werden soll. Sie wollen aber, dass W, der eine Wirtschaftsprüferpraxis betreibt, den JA prüft und testiert. Das ist gem. § 319 Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen. Die Gesellschafter können nur vollständig und nicht partiell auf einen Unterabschnitt verzichten (z. B. auf die Prüfung). Wird trotz § 264 Abs. 3 HGB geprüft, ist § 319 HGB zu beachten und W als Gesellschafter kann nicht Abschlussprüfer sein.
Tz. 62
Das Beschlussverfahren bleibt den Gesellschaftern überlassen. Wenn man eine Satzungsklausel oder antizipierte Erklärung in der Satzung für § 264 Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht genügen lässt, kann auch keine unterjährige Erklärung erteilt werden. Mit Blick auf das gesamte Geschäftsjahr können die Gesellschafter erst am Ende bzw. nach dem Ende des Geschäftsjahres über die Be...